Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

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Über den heutigen Stand der Militär-Rechtswissenschaft u. -Gesetzgebung. 9 
Sonderbestimmungen des Militärrechts ergeben sich, wie bereits oben 
gesagt, aus dem Wesen des Heeres, aus der Aufgabe, welche dasselbe 
zu erfüllen hat, nämlich die Kraft des Staates gegen äußere und innere 
Feinde zu sein. Alle für das Heer bestehenden Institutionen haben die 
Aufgabe, die möglichste Kriegstüchtigkeit des Heeres herzustellen und 
zu fördern. Das Militär-Strafrecht insbesonders hat den Zweck, den 
militärischen Gehorsam in seinem ganzen Umfang (den Gehorsam gegen 
die militärischen Vorgesetzten und die militärischen Vorschriften) auf- 
recht zu erhalten. Die Disciplin, unter welcher wir den organischen 
militärischen Gehorsam verstehen, ist für die Schlagfertigkeit des Heeres 
eine unbedingte Voraussetzung. „Eine Armee olıne Disciplin ist auf alle 
Fälle eine kostspielige, für den Krieg nicht ausreichende, für den 
Frieden gefahrvolle Institution“, lautet ein berühmter Ausspruch Moltkes. 
Wir sind weit davon entfernt zu glauben, dass die Disciplin des Heeres 
nur durch Strafen herzustellen ist. Die militärische Schulung des 
Volkes, der gute Geist, der das Heer beseelt, und die Vaterlandsliebe 
sind es in erster Linie, welche die Disciplin kräftigen und die Kriegs- 
tüchtigkeit des Heeres begründen. Allein, da die Menschen nicht voll- 
kommen sind, da das goldene Zeitalter, da jeder freiwillig seine Pflicht 
erfüllte und ein Richter nicht nöthig war, nur ein erträumtes Ideal 
des Dichters ist, so ist das Militär-Strafrecht für die Erhaltung der 
militärischen Ordnung gerade so nothwendig, wie das allgemeine Straf- 
gesetz zur Erhaltung der bürgerlichen und staatlichen Ordnung, und 
sind Handlungen gegen die militärische Ordnung eben so strafbar, wie 
Handlungen gegen die bürgerliche Ordnung. Dies zum allgemeinen 
Verständnis zu bringen, wird Aufgabe der militärischen Erziehung des 
Volkes sein. 
Es kann also nicht in Zweifel gezogen werden. dass die Disciplin 
nöthigenfalls durch Strafen aufrecht zu erhalten ist, und schon der 
römische Schriftsteller Valerius Maximus sagt: „Sanctissima romani im- 
perii custos severa castrorum disciplina“ (1. 6, c. 1, $ 12). Ist es als be- 
gründet anerkannt, dass das Heer für den Staat nothwendig ist, dass 
das Wohl und Wehe des Staates von seinem Heere abhängt, und dass 
jeder wehrhafte Bürger die Pflicht hat, dem obersten Kriegsherrn als 
Soldat zu dienen, so erscheint eine Bestrafung der Verletzung der mili- 
tärischen Pflichten auch den Grundsätzen der Gerechtigkeit entspre- 
chend. Da das Heer als Theil des Staates eine besondere Aufgabe zu 
erfüllen hat, und zur Erfüllung derselben die Angehörigen des Heeres 
besondere Pflichten zu übernehmen haben, so müssen für den Militär- 
stand besondere Strafbestimmungen bestehen. Diese Sonderbestim- 
mungen sind gerechtfertigt, entsprechen dem Principe der Gerechtig- 
keit, wenn und insoweit sie durch das Wesen des Heeres gefordert 
Dungelmaier, Militürrechtl. Abhandlungen. 7
	        
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