160 Über den heutigen Stand der Militär-Rechtswissenschatt u. -Gesetzgebung.
formler, welche dieselben Gedanken immer in neuer Form aufzutischen
sich bestreben, lassen sich die Worte Goethes anwenden:
Ir scheint mir, mit Verlaub von Euer Gnaden,
Wie eine der langbeinigen Cicaden,
Die immer Hiegt und fliegend springt
Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt.
Die wissenschaftliche Behandlung des Militärrechts hat also, wie
wir im Vorhergehenden gesehen haben, nicht bloß eine em-
pirische, sondern zugleich eine historisch-philoso-
phische zu sein, wobei auch der rechtsvergleichenden und kritischen
Methode Rechnung zu tragen ist.
Das System eines Militärrechts hat das ganze Gebiet des Militär-
rechts, das öffentliche, das Privat- und das Strafrecht zu umfassen, wo-
bei in Bezug auf alle Theile die hier für das Strafrecht bezeichnete
wissenschaftliche Behandlung des Stoffes stattzufinden haben wird. Es
soll nicht mehr bloß in den Lehrbüchern und Compendien des Staats-
und Verwaltungsrechts, beziehungsweise des Strafrechts, auf das Militär-
recht hingewiesen werden, es soll ein System des Militärrechts ge-
schaffen werden. Durch eine wissenschaftliche Behandlung des ganzen
Militärrechts wird für die Rechtswissenschaft und das Heerwesen und
somit auch für den Staat selbst Ersprießliches geleistet werden. Die
Vorwürfe, welche hie und da von der Literatur gegen die eine oder
die andere Institution des Militärrechts erhoben werden, fallen auf die
Literatur selbst zurück, da es längst Sache der Wissenschaft war, der
Gesetzgebung den Weg zu ebnen, wie dies auf anderen Gebieten der
Rechtswissenschaft der Fall war.
Eine Förderung der Wissenschaft des Militärrechts wird aber erst
dann zu erwarten sein, wenn demselben eine Stätte an den
Universitäten, den Brennpunkten des wissenschaftlichen
Lebens, eröffnet sein wird. Es ist gewiss nicht als ein Fort-
schritt zu bezeichnen, dass im vorigen Jahrhundert an den Universitäten
Vorlesungen über Militärrecht gehalten wurden (Jähns, „Geschichte der
Kriegswissenschaften“, III, S. 2177), während gegenwärtig Vorlesungen
über Militärrecht höchstens nur angekündigt werden, um nicht gehalten
zu werden. Zwar ist es richtig, dass Theorie und Praxis Hand in Hand
zu gehen haben, dass Theorie und Praxis sich wie sustoAr; und avastorT;
der Respiration, wie Denken und Wollen!) verhalten, und dass dieselben
voneinander nicht durch eine untrennbare Kluft getrennt sind, wie
man Öfter zu hören bekommt. Allein der Praktiker ist zu sehr von
— m m mn
I) Berner, „Die Lehre von der Theilnalhime*, S. 5.