Über den heutigen Stand der Militär-Rechtswissenschaft u. -Gesetzgebung. 107
Wir sind also zu dem Resultate gekommen, dass man gegenwärtig
nur von einem Anfange einer Wissenschaft des Militärrechts sprechen
kann, und dass es namentlich an einer auf historisch -philosophischer
Grundlage beruhenden systematischen Darstellung des gesammten Mi-
litärrechts mangelt. Von den bestehenden Militär-Strafgesetzen ent-
spricht zwar jenes für das Deutsche Reich den Anforderungen der
heutigen Rechtswissenschaft, aber die übrigen Militär-Strafgesetze und
Militär-Strafprocess- Ordnungen (mit Einschluss der preußischen vom
Jahre 1845) sind reformbedürftig. Es ist eine der wichtigsten
Aufgaben der Wissenschaft, festzustellen, in welchem Um-
fange die modernen Rechtsprincipien (der Anklage, Un-
mittelbarkeit, Öffentlichkeit) in einem Militär-Strafver-
fahren zur Anwendung zu bringen sind, so dass dasselbe
den Anforderungen der Rechtswissenschaft und den Ver-
hältnissen des Heeres entspricht.
Seit Veröffentlichung des vorstehenden Aufsatzes sind noch folgende
Werke und Schriften über das Militär-Strafrecht erschienen:
1. „Geschichte des Militär-Strafrechtes“ von Dr. Dangelmaier, Berlin
1891, welche Schrift eine Geschichte des Militär-Strafrechtes (des for-
mellen und materiellen) bis zu Anfang dieses Jahrhunderts zu bieten
versucht.
2. „Die strafrechtliche Verantworlichkeit für auf Befehl begangene
Handlungen“ von Dr. Fritz van Calker, 1891. (Eine treffliche Mono-
graphie!)
3. „Das Heeres-Strafrecht* von Dr. E. F. Weißl. Wien, 1892. Dieses
Werk handelt von der Geschichte des Militär-Strafrechts, von der philo-
sophischen Begründung desselben und von dem allgemeinen Theil des
österreichischen Militär-Strafrechts.
4. „Die Regelung des militärischen Strafverfahrens“ von Dr. Ludwig
Fuld (1892). Der Autor tritt für die Einführung von militärischen Ge-
schwornen-Gerichten ein. Das Verfaliren soll ein mündliches öffentliches
Anklage-Verfahren sein.