126 Die Ehren-Nothwehr.
nach römischem nnd auch nach älterem deutschen Recht die Ehren-
Nothwehr bestand und dass dasselbe auch nach der Carolina, der pein-
lichen Gerichtsordnung Kaiser Karl V., anzunehmen ist.
Unser allgemeines Strafgesetz vom Jahre 1552 erkennt eine Notlı-
wehr zum Schutze der Elıre gegen verbale und symbolische Injurien
nicht an. Nothwehr wird nur gegen rechtswidrige Angriffe auf Leib,
Leben, Freiheit oder Vermögen gestattet (S 2). Vom bestehenden Militär-
Strafgesetze wird die Elren-Notliwehr der Ofliciere und der den Officiers-
Charakter bekleidenden Militärpersonen !) jedoch unter mehrfachen Be-
dingungen zugelassen,
Der s 114 des M.-St.-G. bestimmt nämlich, dass es ein Milde-
rungsgrund ist, wenn sieh der Thäter in einer aus dem gewöhnlichen
Menschengefühl entstandenen heftigen Gemütlisbewegung zur That hin-
reiben lied, und fährt dann fort:
„Hieher gehört auch, wenn Ofliciere oder den Officiers-Charakter
bekleidende Militärpersonen an ihrer Ehre in Gegenwart einer oder
mehrerer Personen rechtswidrig angegriflen, sich, um der Fortsetzung
solcher Beleidigungen ein Ziel zu setzen, auf der Stelle der ihnen zu-
ständigen Waffen bedienen. Wenn dieser Zweck nicht auf andere Art
erreicht werden konnte und in dem Gebrauche der Waffen das Maß
unumgänglicher Nothwendigkeit nicht überschritten wurde, so hat die
Stral’barkeit wegen einer solchen That ganz zu entfallen.“
Damit also nach dem bestehenden Gesetze eine zur Abwehr von
verbalen oder symbolischen Injurien angewandte Nothwehr die Straf-
barkeit einer That vollständig auflhebt, ist erforderlich:
1. Die Person, welche von dem Rechte der Nothwehr Gebrauch
macht, muss ein Offieier oder eine den Officiers-Charakter bekleidende
Militärperson sein, ein Anditor, Militärarzt, Truppen-Rechnungsführer.
Militärbeainte sind daher zur Ehren-Nothwehr nach $S 114. nicht be-
rechtigt. Zwischen activen Oflicieren und Oflicieren des Rnlestandes, in
der Reserve oder außer Dienst wird zwar nicht ausdrücklich ein Unter-
schied gemacht, es ist jedoch zu bemerken, dass nur jene Officiere
nach $S 114d zur Fhren-Nothwehr berechtigt sind, welche nach den
Militär - Jurisdietions-Gesetzen der Alilitär-Gorichtsbarkeit unterstehen,
da sonst das Militär-Strafgesetz keine Anwendung findet. Der Militär-
Gerichtsbarkeit unterstehen aber active Ofliciere überhaupt, nichtactive
Olficiere aber nur im Falle ihrer Einberufung zur activen Dienstleistung
oder Wallfenübung. Das Nähere darüber, mit welchem Zeitpunkte nicht-
I Auch den Wachen wird das Recht der Waltenanwendung gegen Beschim-
pfungen unter mehrfachen im Reglement angegebenen Bedingungen eingeräunit,
jedoch ist dieses Recht der Wachen nicht ausschließlieh auf Nothwehr zurückzu-
führen.