128 Die Ehren-Nothwehr.
seine Rechte zu verhüten, die Flucht zu ergreifen. Die Freiheit der
Persönlichkeit soll nicht beschränkt werden; möge derjenige, welcher
einen rechtswidrigen Angriff gegen ein fremdes Recht unternimmt, die
Folgen seiner Handlung tragen.
Dagegen kann (da das Gesetz die Anwendung der Waffe dann ge-
stattet, „wenn der Zweck nicht auf andere Art erreicht werden konnte“)
eine ganz gerechtfertigte Ehren-Nothwehr dann nicht angenommen wer-
den, wenn Zurechtweisungen und Ermahnungen hinreichen, die Injurien
abzuwehren, weshalb der Anwendung der Waffe womöglich eine Er-
mahnung vorausgehen soll. Auch die Möglichkeit der sofortigen Veran-
lassung der Arretierung des Injurianten schließt nach dem bestehenden
Gesetze die Anwendung der Waffe aus, da das Einschreiten der Obrig-
keit gewiss zu jenen Mitteln gehört, durch welche den Beleidigungen
ein Ziel gesetzt werden kann, und die Wirkung der Beleidigung auf
die Meinung der Anwesenden entkräftet wird.
Eine Anzeige nach stattgefundener Ehren-Nothwehr ist zwar vom
Gesetze nicht ausdrücklich vorgeschrieben, wird aber dennoch immer
räthlich sein.
Aus dem Gesagten ist zu entnehmen, dass von dem bestehenden
Militär-Strafgesetze eine gerechtfertigte Ehren-Nothwehr (Anwendung der
Waffe zur Abwehr von verbalen und symbolischen Injurien) von zahl-
reichen, meist aus dem Begriffe der Nothwehr sich ergebenden Bedin-
gungen abhängig gemacht wird. Nur dann, wenn alle vom Ge-
setze aufgestellten Bedingungen vorhanden sind, ist die
Ausübung der Ehren-Nothwehr nicht strafbar. Fehlt auch
nur eine dieser Bedingungen, so ist, Ehren-Nothwehr nicht vorhanden.
Jedenfalls wird aber bei Beurtheilung des einzelnen Falles auf den über-
raschenden und verwirrenden Eindruck des Augenblickes Bedacht zu
nehmen sein und ist, wenn auch die Bedingungen der Ehren-Nothwehr
nicht alle vorhanden sind, und daher die Anwendung der Waffe nicht
vollkommen gerechtfertigt ist, der Umstand, dass die That in Aufregung
über eine zugefügte Ehrenkränkung begangen wurde, als ein Milderungs-
umstand anzusehen.
Von keinem Militärrechte kann die Ehren-Nothwehr ganz aus-
geschlossen werden. Der Militärstand ist, wie Hegel („Grundlinien der
Philosophie des Rechtes“, $ 327) sagt, der Stand der Allgemeinheit, dem
die Vertheidigung des Staates zukommt und der die Pflicht hat, die
Idealität an sich selbst zur Existenz zu bringen, das heißt, sich aufzu-
opfern. Diese ethische Aufgabe kann das Heer nie und nimmer erfüllen,
wenn in demselben nicht der richtige Geist herrscht. Der Geist des
Heeres besteht. aber darin, dass die demselben Angehörigen das Bewausst-
sein haben, dass die Erhaltung des Staates von dem Heere abhängt,