Die Ehren-Nothwehr. 129
dass das Heer der Stolz des Volkes ist. Aus dem Streben als einzelner
dieses Ganzen würdig zu sein, entspringt, wie Stein („Die Lehre vom
Heerwesen“, S. 30) sagt: „die militärische Ehre, die gegen den Thron
zur Treue, gegen den Feind zum Mutlı, gegen den Feigling zur Ver-
achtung wird. Die militärische Ehre ist das höchste geistige Gut des
Heeres, verloren ist es selbst, wenn es jene verliert.“ Im entsprechen-
den Momente wird die Ehre zur Begeisterung, welche bewirkt, dass der
Soldat, wenn es nöthig ist, sein eigenes Leben aufopfert. Der Träger
der militärischen Ehre aber ist das Officierscorps. In diesem ist die
militärische Ehre gleichsam verkörpert.
Die Ehren-Nothwehr kann allerdings, da die Nothwehr eine Wehr
in der Noth ist, nur im äußersten Falle in Anwendung kommen, allein
in keinem Militärrecht kann dieselbe ganz entbehrt werden.
Das deutsche Militär-Strafgesetz enthält zwar keine ausdrücklichen
Bestimmungen über die Ehren-Nothwehr, und dennoch ist auch nach
deutschem Recht der Officier berechtigt, von der Ehren-Nothwehr Ge-
brauch zu machen, wenn die drohende Fortsetzung von Injurien auf
keine andere zulässige Weise als durch Gewalt gehindert werden kann. ')
Der 8 53 des deutschen Reichs-Strafgesetzes, welcher auch auf
Militärpersonen Anwendung findet, bestimmt nämlich:
„Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Hand-
lung durch Nothwehr geboten war.
„Nothwehr ist diejenige Vertheidigung, welche erforderlich ist, um
einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem an-
deren abzuwehren.“
Da, wie die Stilisierung dieses Paragraphen zeigt, die Nothwelır
nicht auf den Schutz einzelner Rechte beschränkt ist, sondern allge-
mein anerkannt wird, so muss behauptet werden, dass die Nothwehr
auch zum Schutze der Ehre gegen verbale und symbolische Injurien
gestattet ist.
Nach deutschem Rechte wird daher in dem Falle der behaupteten
Ehren-Nothwehr nach Erwägung aller die That begleitenden Umstände
zu entscheiden sein, ob die aus dem Begriffe der Nothwehr sich er-
gebenden Bedingungen vorhanden waren.
I) Brauer, Handbuch des deutschen Militär-Strafrechts, 8. 81.
Daugelmaier, Militärrechtl. Abhandlungen. y