132 Über das administrative Ersatzverfahren.
größerer Bedeutung als die Fachbildung der Angehörigen anderer Stände.
Von der Tüchtigkeit des Officierscorps hängt mehr als von der eines an-
deren Standes die Wohlfahrt des Staates ab.!) Die Officiere sind die
Führer des Volkes in Waffen, sie bilden den festen Kitt der Massen-
heere der Gegenwart. Von der Schlagfertigkeit der Heere hängt aber das
Sein und Nichtsein der Staaten im Kriege ab. Der Krieg ist und bleibt
ein wichtiger Moment im Leben der Völker. Die Geschichte enthält
Beispiele, dass ein glücklicher Krieg einen Staat zu einer früher nicht
geahnten Blüte brachte, während unglückliche Kriege oft den Untergang
der Staaten herbeiführten. Der ewige Friede ist nur ein erträumtes Ideal
der Philosophen und Dichter. Solange die Menschheit bestehen wird,
so lange werden Kriege geführt werden. Man könnte eher von einem
ewigen Kriege als von einem ewigen Frieden sprechen. Wenn längere
Friedens-Perioden bestehen, so hält doch nur „das Schwert die Schwerter
in den Scheiden“, nur ein Staat, der ein tüchtiges Heer besitzt, kann die
Segenungen des Friedens genießen, und mit Beruhigung einem Kriege,
sobald derselbe notwendig geworden ist, entgegengehen.
Die hohe wissenschaftliche Bildung des Officierscorps unserer schönen
Armee bietet die sicherste Gewähr für den Achtung gebietenden Bestand
und das Glück unseres großen Vaterlandes. Bekannt sind die Worte
unseres größten vaterländischen Dichters: „Radetzky, in Deinem Lager
ist Österreich!“ Die damaligen Zustände der Gefahr sind vorüber. Noch
immer aber ist Österreich im Lager seines Heeres, d. h. das Heer ist
Schild und Schwert Österreich-Ungarns gegen äußere und innere Feinde.
Der Ofticier erfreut sich daher auch der Hochachtung aller gebildeten
und patriotisch gesinnten Nichtmilitärs.?) Nur staatsfeindliche Parteien
sind auch militär-feindlich. Gerade diese Gegnerschaft beweist aber, dass
das Otficierscorps der sicherste Hort der staatlichen und bürgerlichen
Ordnung Ist.
Neben der eigenen kriegswissenschaftlichen Ausbildung obliegt dem
Otficier die soldatische Heranbildung der Mannschaft. Wie viel Mühe
aber diese Heranbildung erfordert, ist hinreichend bekannt. Es ist
allerdings richtig, dass gegenwärtig ein großer Procentsatz der Recruten
der gebildeten Classe der Bevölkerung angehört. Allein ein anderer großer
T'heil der Recruten besteht aus Landleuten, welche nach Verschiedenheit
der Provinzen des Lesens und Schreibens nur nothdürftig oder gar nicht
kundig sind, und welche nichts weniger als eine Gewandheit des Körpers
bekunden. Allen in das Heer Eintretenden soldatischen Sinn beizubringen,
I) v.d. Goltz, „Das Volk in Waflen“, 1890, S. 47.
2) Vol. auch Kraft, „Prinz zu Hohenlohe-Ingellingen, Militärische Briefe über
Intintorie*, 1890, S. 45.