Rechte und Pflichten des Offieciers im Militär-Straf-
verfahren.
Das Officierscorps nimmt in jeder Armee der Gegenwart eine be-
sonders geachtete Stellung ein, welche von der des einfachen Soldaten
und des Unterofficiers wesentlich verschieden ist. Neben dem Militär-
stand gibt es einen Officiersstand, in welchem die ritterliche Ehre und
die militärische Bildung zum objectiven Ausdruck gelangen. Während
der einfache Welrmann dem Heere nur eine kurze Zeit seines Lebens
angehört, ist der Dienst im leere für den Oflicier ein Lebensberuf. Der
Otlicier vertritt den militärischen Beruf. Zwischen dem Officier und dem
Unterofficier besteht nicht nur ein gradueller, sondern ein specifischer
Unterschied, während unter den Mitgliedern des Officierscorps nur er-
sterer besteht Der Oflicier ist seinem Vorgesetzten Achtung und im
Dienste Gehorsam schuldig, in der Gesellschaft jedoch stellen sich die
Ölticiere aller Chargen einander gleich.
Der vft citierte, und wegen seiner Form oft belachte Satz Rüchels:
„Der Geist der preußischen Armee sitzt in ihren Officiers“, enthält eine
Wahrheit, welche jedoch nicht bloß von der preußischen, sondern von
jeder Armee gilt. Mit Recht sagt Colmar von der Goltz:!) „Der Zustand
des Ofticterscorps ist entscheidend für den Zustand des ganzen Heeres...
Das trefflichste Soldatenmaterial unter schlechten Oflicieren liefert immer
nur eine höchst mangelhafte Truppe.“ Es ist eine historisch beglaubigte
Thatsache, dass es jedem Staate unendlich viel gekostet hat, wenn ihm
sein Oflicierscorps wenig gekostet hat.?)
Dem Ofticierscorps obliegen die soldatische Krziehung der Mann-
schaft und die Führung des Heeres im Kriege. Um dieser Aufgabe zu
entsprechen, muss der Oflicier eine militärische Fachbildung, nament-
lich aber eingehende Kenntnisse der Kriegswissenschaften besitzen.
Der große Organismns des Heeres, welcher viele Tausende zu einer
Kinheit verbindet, erfordert eine Verwaltung. Für die Verwaltung des
I, „Das Volk ın Willfen®, 4 Aufl, S. -A1D.
-) Stein, „Die Lehre vom Heerwesen“, 8. 67.