Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

Rechte und Pflichten des Officiers im Militär-Strafverfahren. 149 
wenn er der Überzeugung ist, dass das Delict in Anbetracht der das- 
selbe begleitenden Umstände eine andere als die beantragte Strafe er- 
heischt. Der Mitrichter kann, wenn dies auch vom Auditor nicht be- 
antragt wird, von dem außerordentlichen Milderungsrecht des $ 125 
M.-St.-G. Gebrauch machen, die Strafe unter das geringste gesetzliche 
Strafausmaß herabsetzen und unter Umständen, wenn keine Dienstes- 
und Standesrücksichten entgegenstehen, von der gesetzlich vorgeschrie- 
benen Strafe der Degradierung Umgang nehmen. 
Willkürlich darf jedoch der Mitrichter nicht vorgehen, da für ihn 
selbstverständlich die bestehenden Gesetze maßgebend sind. Der Mit- 
richter kann daher nicht, wenn das Verschulden klar erwiesen ist, auf 
„Nichtschuldig* erkennen, er kann nicht die That als ein anderes minder 
oder schärfer bestraftes Delict qualificieren, als dessen Merkmale die That 
in sich schließt, er kann endlich nicht auf eine andere Strafe erkennen, 
als welche das Gesetz auf das Delict, welches er als vorhanden annimmt, 
normiert. Der Mitrichter kann also zum Beispiel, wenn er die Wider- 
setzlichkeit eines Soldaten gegen seinen Vorgesetzten als das Verbrechen 
der Subordinations-Verletzung auffasst, nicht auf Arrest erkennen, da 
die gesetzliche Strafe des Verbrechens der Subordinations-Verletzung 
Kerker ist. Wohl aber kann er auf Aırest dann erkennen, wenn er die 
Handlung als das Vergehen der Subordinations-Verletzung qualificiert, 
da vom Gesetze auf Vergehen die Arresstrafe normiert ist. 
Der Richterspruch muss immer kategorisch, er darf niemals hypo- 
thetisch lauten, der Richter hat keine Gnade auszuüben, sondern Recht 
zu sprechen. Der Richterspruch im Kriegsrecht darf daher nicht mit dem 
Vorbehalte „wenn der Beschuldigte die That begangen hat, so wird 
diese oder jene Strafe verhängt”, abgegeben werden, noch darf der 
Spruch den Beisatz „aus Gnade“ enthalten. Der Spruch jedes Richters 
muss bestimmt angeben, ob und welches Delictes der Angeschuldigte 
für schuldig erachtet wird oder nicht, und im Bejahungsfalle, welche 
Strafe über denselben verhängt wird. 
Erachtet ein Richter, dass die Untersuchung unvollständig ist und 
er seinen Spruch deshalb nicht abgeben kann, so hat er das Recht, die 
Ergänzung der Untersuchung zu beantragen. Über diesen Antrag ent- 
scheidet das Kriegsrecht wie über eine andere Vorfrage. Wird dein An- 
trage stattgegeben, so sind die Ergänzungen vorzunehmen und ist nach 
deren Einlangen neuerlich das Kriegsrecht einzuberufen. Wird der An- 
trag abgelehnt, so hat jeder Richter, auch der, welcher die Ergänzung 
beantragte, über die Schuld und Strafe zu erkennen. 
Nach den Militär-Strafprocess-Ordnungen, in welchem die formelle 
Vertheidigung des Angeklagten anerkannt ist, kommt dem Officier das 
Recht, beziehungsweise die Pflicht zu, die Vertheidigung des Angeklagten
	        
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