Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

164 Die philosophische Begründung des Militär-Strafrechts. 
Da stets Kriege geführt wurden, und auch in der Zukunft werden 
geführt werden, so hat es stets ein Heerwesen gegeben, und wird ein 
solches auch fortbestehen. Niemals aber trägt das Heer den Grund 
seines Bestehens in sich, sondern ist der Grund des Bestehens des Heeres 
der Krieg. Alle Einrichtungen des Heerwesens werden nur nach der 
Brauchbarkeit für den Krieg beurtheilt. Der Krieg ist die Quelle des 
Heerwesens, der wirkliche Krieg ist die ewig lebende Kritik jeder ein- 
zelnen Institution im Heerwesen.!) 
Da es sich im Kriege um die wichtigsten Güter der Menschheit, 
um den Wohlstand, die Ehre und die Selbständigkeit des Staates handelt, 
so fasst der Staat im Kriege seine ganze Kraft in wirtschaftlicher und 
geistiger Beziehung zusammen, um den Gegner zu besiegen. Im Heere 
concentriert sich die ganze Kraft des Staates. Soll dies aber der Fall 
sein, so muss das Heer nur von einem Willen, dem Willen des obersten 
Kriegsherrn abhängen. Da der oberste Kriegsherr nicht überall anwesend 
sein kann, hat der Soldat seinen Vorgesetzten, als Organe des Dienstes, 
unbedingten Gehorsam zu leisten. Gehorsam gegen den Vorgesetzten 
durch alle Stufen der militärischen Hierarchie, vom Soldaten der min- 
desten Soldsclasse bis zum Feldmarschall hinanf, hat die Devise jedes 
Heeres zu sein. 
Das Wesen des Heeres, welches, wie bereits gesagt, durch den 
Krieg bestimmt wird, legt dem Soldaten nicht bloß die Pflicht des 
Gellorsams, sondern noch verschiedene andere Pflichten auf, so die 
Pflicht der Treue zur Fahne, zu welcher er geschworen hat, die Pflicht 
der Tapferkeit bei Bekämpfung der äußeren und inneren Feinde des 
Staates, und endlich die Pflicht der Wahrung dermilitärischen Ehre. 
Wie eine Maschine nur dann entsprechende Kraft entwickelt, wenn 
alle Theile derselben ordentlich functionieren und ineinandergreifen, und 
durch die an einer Stelle angewandte Kraft das ganze Räderwerk sich 
in Bewegung setzt, so kann auch das Heer seine Aufgabe nur damn 
erfüllen, we:n dasselbe von einem Willen beherrscht wird, und wenn 
alle Heeres-Angehörigen ihre Pflichten erfüllen. Durch die Verletzung 
der militärischen Pflichten werden die Militär-Delicte begangen, 
deren Inbegriff das Militär-Strafrecht bildet. Die militärischen Delicte 
schaden der Kriegstüchtigkeit des Heeres. Dies gilt von den 
schwersten, mit dem Tode bedrohten Militär-Delicten, bis herab zu den 
Disciplinar-Übertretungen, welche nur mit Verweisen bestraft werden. 
Wird z.B. die Stunde des Zapfenstreiches (die „Retraite“) zunächst von 
einzelnen, dann von mehreren Soldaten überschritten, so reißt Zucht- 
und ÖOrdnungswidrigkeit ein, welche der Todfeind der militärischen 
  
I) Stein, „Heerwesen“, Stuttgart 1872, S. 34.
	        
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