166 Die philosophische Begründung des Militür-Strafrechts.
Die Kosten für das Heer wurden geistreicher Weise!) als eine
Versicherungsprämie bezeichnet, welche das Volk gegen die äußeren
Gefahren entrichtet. Die Versicherungsprämie ist theuer, da die Gefahr
eine große ist. Es mangelt nicht an Beispielen aus der alten und neuen
Geschichte, dass von den militärischen Einrichtungen die Wohlfahrt
und Existenz der Staaten abhängen. Unglückliche Kriege kosten dem
Staate mehr, als ilım ein starkes Heer gekostet hätte. Nach einem un-
glücklichen Kriege hat der Staat nicht nur das Heer des Feindes zu
erhalten und dessen Kriegsrüstungen zu zahlen, sondern verliert noch
einen Theil von seinem IXörper, seinem Territorium. Der Satz, dass es
einem Staate viel kostet, wenn ihm sein Heer wenig kostet, hat sich
in der Geschichte oft bewalirheitet. Die Selbständigkeit ist das höchste
Gut des Staates. „Kein Volk, das sich als solches fühlt, hat je den
Preis zu hoch befunden; wenn es galt, hat es freiwillig noch unendlich
höhere Opfer gebracht, als der Staat sie von ihm verlangte.“ (Ihering,
l.c.). Bei Beratliung des Militär-Budgets ist wohl immer zu bedenken
dass die Aufgaben, welche das Heer zu lösen hat, nicht durch das Gesetz
bestimmt werden können, dass vielmelr die zu lösenden Aufgaben an
das Heer durch die Umstände gestellt werden.
Da also die Selbständigkeit des Staates das höchste Gut des Staates
ist, da die Selbständigkeit des Staates durch das Heer gesichert wird,
und die Leistungen für das Heer die Volkskraft im hohen Grade ın
Anspruch nehmen, so ist es gewiss eine Förderung der Vernunft,
dass wegen der Militär-Delicte, welche in einem Bruche der mili-
tärischen Pflichten bestehen und der Kriegstüchtigkeit des Heeres
schaden, eine Strafe eintritt. Die Strafe wegen eines Militär-Delicts
ist eine durch die Rechtsvernunft geforderte Vergeltung für einen Bruch
der Rechts-Ordnung des Heeres und des Staates. Dies gilt von dem
schwersten Militär-Deliet bis herab zu den leichtesten Disciplinar- Über-
tretungen, da durch alle Delicte die Schlagfertigkeit des Heeres leidet.
Auch wegen militärischer Delicte wird gestraft, weil gefehlt wurde,
nicht bloß damit nicht gefehlt werde. Wenn Seneca („De ira“, 1.1, c. 16)
sagt: „Nemo prudens punit, quia peccatum est, sed ne peccetur“, so
sagen wir vielmehr: Pıudens punit, quia peccatum est et ne peccetur,
d.h. der Weise straft, weil verbrochen wurde und damit nicht mehr
verbrochen werde.
Diese Ansicht wird dadureh unterstützt, dass auch die militärischen
Strafen in der ‚Jugendperiode des Volkes einen sacralen Charakter hatten,
und von den Priestern, welche dem Heere folgten, gleichsam auf Befehl
Gottes verhängt und vollzogen wurden (Tacitus, „Germania“, 7). Diese
Stem l.c., 8.19.