Die philosophische Begründung des Militär-Strafrechts. 167
historische Thatsache ist gewiss für unsere Ansicht von Bedeutung.
Die göttliche, sacrale Weihe ist nur der naive Ausdruck für den durch-
aus nicht irrigen, sondern tief wahren Gedanken, dass die Strafe nicht
nur eine praktiche Nützlichkeits-Einrichtung, sondern zu-
gleich ein Vernunftpostulat ist.')
An einer andern Stelle haben wir das Pflichtgefühl als das
Grundprincip der militärischen Ethik erkannt. In dieser Abhandlung
haben wir den Nachweis versucht, dass die Gerechtigkeit das Princip
des militärischen Rechtes ist. Erweckung des Pflichtgefühls bei
der Erziehung des Soldaten, strenge Gerechtigkeit in der mili-
tärischen Gesetzgebung und bei der praktischen Handhabung
des Rechts sind wichtige Aufgaben des Staates.
Nach dem strafrechtlichen Principe haben sich die. Bestimmungen
des Militär-Strafrechts zu richten. Da die Strafe wegen Militär-Delicte
eine durch die Vernunft geforderte Vergeltung für die Verletzung mili-
tärischer Pflichten ist, und auf der Gerechtigkeit berulit, während der
Zweck die Erhaltung der Rechts-Ordnung im Heere ist, haben die mili-
tärischen Strafen je nach der Schwere der Rechtsverletzung ver-
schiedene zu sein und verschiedene Abstufungen aufzuweisen. Je schwerer
die Rechtsverletzung, desto schwerere Strafe wird gefordert.
Das Heer ist das Organ des Staates, durch welches die Gefalır
eines unglücklichen Krieges vom Staate abgewendet werdeu soll. Die
Rechtsverletzung ist daher eine desto größere, je mehr Gefahr oder
Schaden aus der Handlung entsteht. Wenn daher die Militär-Strafgesetze
bei Bestimmung der Strafe auf das Moment der Gefahr und des Schadens
besonderes Gewicht legen, so entspricht dies vollkommen dein Principe
der Gerechtigkeit. Die Militär-Strafgesetze bestrafen die bloße Fahrlässig-
keit strenger als die Civil-Strafgesetze, weil der militärische Dienst dem
Soldaten eine besondere Sorgfalt auferlegt, und ihm bekannt sein muss,
dass durch die Außerachtlassung derselben dem Heere besonderer Nach-
theil zugefügt werden kann. Obgleich daher in den Civil-Strafgesetzen
Handlungen aus Fahrlässigkeit nur als Vergehen und Übertretungen
mit leichtem Arrest oder geringen Geldstrafen geahudet werden, wider-
streitet es der Vernunft im Rechte nicht, dass die Gefährdung der Kriegs-
macht im Felde aus bloßer Fahrlässigkeit seitens der militärischen Be-
fehlshaber mit dem Tode bestraft wird. Die Außerachtlassung der Sorg-
falt ist in Anbetracht der schweren Folgen, die entstehen können, im
hohen Grade strafbar.
Allerdings wird auch von den Militär-Strafgesetzen auf das sub-
jective Moment des Verschnldens (auf den dolus, den Rückfall) Bedacht
!) Dahn, „Die Vernunft im Recht“, Berlin 1879, S. 111.