Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

168 Die philosophische Begründung des Militär-Strafrechts. 
genommen, was durch das Princip der Gerechtigkeit gefordert wird. 
Ohne Verschulden aber darf keine Strafe eintreten, da dieses dem Princip 
der Gerechtigkeit geradezu widerstreiten würde. Aus dem Princip der 
Gerechtigkeit erklärt es sich (ohne zur Abschreckungs-Theorie die Zu- 
flucht zu nehmen), dass im Kriege für bestimmte Delicte (Desertion, 
Subordinations-Verletzung) strengere Strafen als im Frieden eintreten. 
Der Soldat weiß, dass im Kriege größere Anforderungen an ihn heran- 
treten, dass durch seine Pflichtverletzung ein bedeutend größerer Schaden 
als im Frieden entstehen kann. Durch die Verletzung der Pflichten im 
Kriege erscheint daher der Soldat vernunftgemäß mehr strafbar 
als unter gleichen Umständen im Frieden. 
Als das schwerste Delict eines Soldaten erscheint der Kriegs- 
verrath, das ist der Landesverrath, welcher im Felde von einer mobil 
gemachten Person des Soldatenstandes begangen wird. Es ist geradezu 
gegen das Lebensprincip des Heeres, wenn diejenigen, welche zur Ver- 
theidigung des Vaterlandes berufen sind, die Unternehinungen des Feindes 
begünstigen. Die Todesstrafe ist in diesen Fällen geradezu ein Postulat 
der Vernunft. 
Durch die Fahnenflucht macht sich der Soldat eines Treu- 
bruches schuldig, und verdient daher strenge Strafe. Bei dem Bestehen 
der allgemeinen Wehrpflicht ist jedoch der Schaden, welcher aus der 
Fahnenflucht im Frieden entstehen kann, kein so großer, um die Todes- 
strafe zu erheischen. Im Felde jedoch, da es gilt, dem Feinde mit einer 
inöglichst großen Truppenzahl entgegenzutreten, erscheint die Rechts- 
verletzung, welche durch die Fahnenflucht begangen wird, eine besonders 
große. Derjenige, welcher im Felde, zu einer Zeit, in welcher mit eisernen 
Würfeln über das Glück des Vaterlandes entschieden wird, die Treue 
gegen dasselbe bricht, erscheint vor dem Forum der Vernunft im hohen 
Grade strafbar. Es erscheint daher dem Gerechtigkeitsgefühle durchaus 
nicht widersprechend, wenn wegen Falinenflucht im Felde, namentlich 
unter erschwerenden Umständen (Fahnenflucht vom Posten, im Rück- 
falle) die Todesstrafe eintritt. 
Auf dem Gehorsam gegen den Vorgesetzten berulit namentlich 
die militärische Disciplin. Bei dem guten Geiste, welcher die aus der 
allgemeinen Wehrpflicht hervorgegangenen Heere beseelt, ist der Un- 
gehorsam Einzelner im Frieden mit keiner so bedeutenden Gefahr ver- 
bunden, dass die Todesstrafe nöthig erscheinen würde. Im Frieden wird 
daher der Ungehorsam gegen den Vorgesetzten mit Freiheitsstrafen ge- 
ahndet, welche je nach dem Grrade des Ungehorsams und den Umständen, 
unter welchen derselbe an den Tag gelegt wird, verschieden bemessen 
sind. Wenn jedoch im Kriege der Gehorsam gegen den Vorgesetzten 
verweigert wird, namentlich, wenn der Befehl einen Dienst gegen den
	        
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