172 Der Geist des Heeres und der Idealisinus.
von wesentlichem Einfluss ist. Wird doch das Heer „das Volk in Waffen“
genannt. Der Volksgeist ist jedoch kein einfacher Begriff. In jedem
Staate, die Staatsform mag die despotische, monarchische, republi-
kanische, aristokratische oder demokratische sein, bilden sich durch
das geistige und wirtschaftliche Leben verschiedene Gesellschaftsstände.
Jeder Stand hat seine besonderen Aufgaben im Staate zu erfüllen, führt
eine von den andern Ständen verschiedene Lebensweise und hat seine
besondern Interessen. Diese Umstände zusammen bewirken, dass jeder
Stand eine ihm eigenthümliche Denkungsweise, eine eigene Geistes-
richtung hat. Das Heer hat ein individuelles Leben, und daher ist der
Geist des Heeres mit dem Volksgeist nicht identisch. Der Kern des
Heeres besteht aus Berufssoldaten, der Geist derselben theilt sich den
übrigen Wehrmännern mit. Der Geist des Heeres ist der durch
die militärische Erziehung, den militärischen Beruf und
die Bestimmung des Heeres für den Krieg modificierte
Volksgeist.
Da das Heer das edle Werkzeug der „Erhaltung und des Ruhmes
des Staates“, der Geist des Heeres aber für dasselbe von hoher Be-
deutung ist, so ist die Beantwortung der Frage, in welchem Verhältnis
der soldatische Geist zu den beiden Hauptsystemen des philosophischen
Denkens, zum Idealismus und Materialismus, steht, gewiss von
großem Interesse. Wir sprechen hier nicht ausschließlich von der Philo-
sophie als Wissenschaft, sondern vom philosophischen Denken über-
haupt. Die Wissenschaft der Philosophie besteht nur für wenige, jedem
Menschen aber ist es eigen, über metaphysische Dinge, über sich selbst,
seine Bestimmung, sein Verhältnis zur Gemeinschaft nachzudenken. Jeder
Mensch hat seine eigene Philosophie, das Volk, welches keine philo-
sophischen Schriften liest, hat seine Naturphilosophie.
Bevor wir die Frage beantworten, welche Geistesrichtung den sol-
datischen Geist ausmacht, müssen wir uns klar machen, was man in
der Philosophie und in Bezug auf die Lebensauffassung des Menschen
überhaupt unter Idealismus und Materialismus versteht. Philo-
sophen, welche dem Materialismus huldigen, legen nur der Materie (dem
Stoffe) eine wirkliche Existenz bei und fassen auch das menschliche
Denken nur als eine Function der Materie auf. Wie der Magen die
Speisen aufnimmt und verdaut, so bilden sich auch die Gedanken im
Kopfe durch äußere Einflüsse. Der Idealismus hingegen geht von dem
Subjecte aus. Der menschliche Geist ist der Sitz der Ideen, welche die
Urbilder der stets wechselnden und daher nicht bestehenden Dinge der
Außenwelt sind. Es gibt auch uns angeborne Ideen. Der Geist gehört
vermöge der ihm innewohnenden Freiheit einer übersinnlichen, intelli-
giblen Welt an. Die Ideen sind das allein Bestehende. Beide Systeme