Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

12 Das Militär-Strafrecht des Alterthums und der Gegenwart. 
Im Vorhergehenden haben wir, abgesehen von einzelnen durch 
römische Volkssitte und Denkungsweise eingeführten, dem römischen 
Rechte eigenthümlichen Bestimmungen, eine Übereinstimmung in 
den Grundideen zwischen dem Militär-Strafrecht des 
Alterthums und der Gegenwart, insbesondere in Ansehung der 
Bestimmungen, welche Handlungen als Militär-Delicte aufzufassen, und 
nach welchem Maßstab dieselben zu bestrafen sind, gefunden, welche 
Übereinstimmung ein Zeugnis dafür abgibt. dass das Militär-Strafrecht 
auf einer gesunden Grundlage beruht, das heißt, dass die Bestrafung 
wegen Militär-Delicte ebenso gerechtfertigt ist, als die Bestrafung wegen 
gemeiner Delicte. 
Mag die Regierungsform eines Staates wie immer sein, für die 
Armee gilt das Wort Homers'): „09% 27204 zormzorzavin. ai2 40lnav02 Tstn.K 
„Vieler Feldherrschalt taugt nie, nur einer sei Feldherr.“ 
Eine wesentliche Änderung hat das Militär-Straf- 
recht des Alterthums durch das europäische Völkerrecht, 
welches sich erst seit dem 16. Jahrhundert, insbesondere durch den 
Einfluss des Christenthums, gebildet hat, erfahren. Wir finden in den 
neuen Militär-Ctesetzen Bestimmungen zur Schonung feindlicher Per- 
sonen und feindlichen Gutes, welche dem Alterthum, dessen Grundsatz 
„ewiger Krieg den Barbaren“ war, fremd sind. 
Seit Hugo Grotius ist das Bestreben der Völkerrechtslehrer darauf 
gerichtet, jede Unmenschlichkeit und Barbarei aus der Kriegsführung 
der civilisierten Völker zu verbannen. Durch den Einfluss des Christen- 
thums und der Humanität hat sich als Princip jeder Kriegsführung ge- 
bildet, dass die Völker sich im Kriege so wenig Übel zufügen sollen, 
als mit dem Zwecke der Kriegführung vereinbarlich ist. Den Grund- 
satz des heutigen Vöülkerrechts hat schon Montesqyuieu in seinem vor- 
trefflichen Werke „Esprit des lois“, chap. III, mit den Worten aus- 
gedrückt: „Le droit des gens est naturellement fondece sur ce principe, 
que les diverses nations doivent se faire dans la paix le plus de bien, 
ot daus la guerre le moins de mal, qwil est possible, sans nuire a leurs 
veritables interöts.“ 
Die von der Sitte bestimmte rechte Weise des Krieges wird Kriegs- 
inanler genannt. Nur im Falle, als der Gegner keine IXriegsmanier be- 
obachtet, oder wenn die äußerste Notlh zwingt, gestattet die Kriegs- 
raison, das strenge Kriegsrecht, welches selbst die Vernichtung des Gcg- 
ners erlaubt, anzuwenden. 
Nach der Auffassung des heutigen europäischen Völkerrechtes 
führen die Staaten durch ihre Repräsentanten, und nicht die einzelnen 
1) „Ilias“, 5, 204.
	        
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