Der Geist des Heeres und der Idealismus. 177
des Heeres ist die Kraft desselben, es ist das Schaffende, das Belebende,
das Bewegende.')
Wir sind weit davon entfernt, den Aussprnch des berühmten Natur-
forschers Moleschott: „Der Geist ist abhängig vom Körper, alle Kraft
in uns ist an den Stoff gebunden® — zu bestreiten. Entbehrung von
Speise und Trank beeinträchtigen den Gedankengang. Große Kälte und
Hitze wirken störend auf den Kreislauf des Blutes und mittelbar auch
auf die Geistesthätigkeit. Die napoleonischen Soldaten, erstarrt vor Kälte
und ermattet vor Hunger, mussten den an das Klima des „heiligen Russ-
lands“ gewöhnten Scharen der Kosaken weichen. Es darf aber nicht
die mächtige Einwirkung des Geistes auf den Körper übersehen werden.
Freude, Traurigkeit, alle Affecte treten in den körperlichen Zuständen
zur äußern Erscheinung. Der Geist ist der Elektricität vergleichbar.?)
Die elektrische Kraft an sich ist wie der Geist unsichtbar, und wirkt nur,
wenn die materielle Grundlage vorhanden ist. Wie aber die Elektricität
den Draht, die sich an die leblose Materie, in Bewegung setzt, so be-
wirkt der Geist die Bewegungen des Körpers. Wie die elektrische
Kraft als Blitz zur Erscheinung kommt, so erkennen wir den Geist an
den Tlıaten. — Der Geist des Heeres ist ein Product der
Ideen, welche das Heer beleben.
Die Geschichte enthält Beispiele, dass Heere, welche von erhabenen
Ideen beseelt waren, über numerisch weitaus überlegene Heere den Sieg
davon trugen. In diesen Fällen erfocht der Idealismus über den Mate-
rialismus auf den Schlachtfeldern den Sieg. Unsterblich sind die Marathon-
Kämpfer. Das kleine, griechische Heer, beseelt von der Liebe zum Vater-
land und zur Freiheit, war siegreich gegen das mehr als zehnmal so
starke Heer der Perser, in welchem nur despotische Willkür herrschte.
Gerade solche Siege sind es, die durch alle ewige Zeiten gefeiert werden.
Mit Vorliebe werden Siege mit dem Siege bei Marathon verglichen.
Nicht der Sieg der rohen Gewalt, der Triumph des Ideals begeistert
den Krieger.
Der Militärstand ist nach Hegel?) der Stand der Allgemein-
heit, dem die Vertheidigung des Staates zukommt, und der
die Pflicht hat, die Idealität an sich selbst zur Existenz zu bringen, das
heißt, sich aufzuopfern. Auf demselben Gedanken beruht der Ausspruclı
des Feldmarschalls Moltke: „Ohne Krieg würde die Welt versumpfen
und sich in Materialismus verlieren.**) Mit Recht sagt daher auclı
I!) Arnold Helmuth, „Geist und Form. Ein Wort über Truppenleistung*, 1374,
Seite 9.
2) Schilling, „Die Zurechnungsfähigkeit“, 1866, S. 4.
9) „Grundlinien der Philosophie des Rechtes“, $ 327.
#) Schaible, „Standes- und Berufspflichten“, 1891, 8.35. Dieses Werk kam mir
Dangelmaier, Militärrechtl. Abhandlungen. 12