184 Der Geist des Heeres und der Idealismus.
die Anlage zum Guten gekräfligt und die Tugend, welche in den festen
Vorsatz der Pflichterfüllung besteht, anerzogen werden, wie umgekehrt
durch eine nachtheilige Einwirkung auf die Denkungsart die gute An-
lage erstickt werden kann. Einzelne Subjecte gibt es allerdings, bei
welchen jede moralische Einflussnalıme fruchtlos ist.
Die moralische Gesinnung (das Pflichtgefühl) wird namentlich durch
die Religion gefördert. Die Religion, von welcher wir hier sprechen,
ist der Glaube an Gott als den moralischen Welturheber und die Er-
kenntnis aller unserer Pflichten als göttliche Gebote.!) Das religiöse
Gefühl tritt immer vereint mit dem erhaltenden Princip auf. Menschen,
die dem erhaltenden Princip huldigen, sind in der Regel auch von einem
religiösen Principe beseelt. Dies hat darin seinen Grund, dass die Re-
ligion die Pflichterfüllung lehrt, und durch Hinweis auf das Unendliche
und Unvergängliche die Standesunterschiede ausgleicht, und die Menschen
abhält, nach der Herrschaft ihrer Sonder-Int-ressen zu streben. Diese
Momente kennzeichnen das erhaltende Princip. Das Heer, die mächtigste
Stütze der Erhaltung der bestellenden Ordnung, ist daher, wenn der
Geist desselben ein guter ist, von wahrhaft religiüsem Geiste beseelt.
Aberglaube und religiöse Schwärmerei, welche auf Kasteiungen und
äußerliche Handlungen (z. B. Tempeldienst der Heiden, Opfer derselben)
hinauslaufen, tragen nichts bei zum guten Geiste des Volkes oder Heeres
Religiöser Fanatismus, welcher Hass und Kampf gegen die Ungläubigen
(so werden Andersgläubige von religiösen Fanatikern genannt) predigt,
ist wohl im Stande, einen kriegerischen Geist und vorüber-
gehende Erfolge, nicht aber einen militärischen Geist hervor-
zubringen, welcher, wenn er ein Heer beseelt, dieses zur dauernden
Stütze der staatlichen Ordnung macht. Dieser Geist wird nur durch eine
Religion hervorgebracht, welche die Pflichterfüllung als ihr erstes Gebot
aufstellt, und belehrend auf den Geist und veredelnd auf das Herz wirkt.
Jede Religion aber, welche die Pflichterfüllung lehrt, ist eine Stütze
der staatlichen Ordnung, und besitzt, wie die drei Ringe, von welchen
Lessing in dem Drama „Nathan der Weise“ spricht, die Kraft, „beliebt
zu machen vor Gott und den Menschen angenehm“. Jedenfalls aber
erreicht der Trieb zum Idealen wie zur Moral seine lauterste und
höchste Verkörperung in der christlichen Religion.?)
Die Quelle der Religion ist der Glaube; Weisheit und Kunst können
nicht bis zum Himmel aufsteigen, um sich von der Offenbarung zu über-
zeugen, und so muss sich der Mensch, wie selbst der Verfasser der
„reinen Vernunft“ sagt, an die Satzungen einer Kirche anschließen. Der
I) Kant, „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ (Reklam-
Ausgabe), S. 164.
2) Schaible, „Standes- und Berufspflichten des deutschen Otficiers“, 1891, S. 32.