186 Der Geist des Heeres und der Idealismus.
ligionskriege an. Die Religion soll keinen Anlass zu Kriegen bieten,
allein das behaupten wir, dass die religiöse Gesinnung ein
Heer stark macht, da aus ihr der gute Geist des Heeres hervorgeht.
Der Gedanke, dass die Gottesfurcht die Grundlage nicht nur der
bürgerlichen, sondern auch der militärischen Ordnung bildet, kommt
auch im Fahneneide zum Ausdruck, welcher der letzte Halt des
Heerwesens ist. Von den ältesten Zeiten her bis auf unsere Tage ist
es Sitte, dass die Wehrpflichtigen einen Eid leisten, die militärischen
Pflichten zu erfüllen. Die Strafbarkeit der militärischen Delicte wird
auf einen Eidbruch zurückgeführt und so die Erfüllung der militärischen
Pflichten unter den Schutz der Religion gestellt. Gegner der bestehenden
staatlichen Ordnung sind daher Gegner nicht nur des Militarismus,
sondern auch der Religion, und sehnen sich nach einer nur dem irdischen
Genuss huldigenden religionslosen Gesellschatt.
Außer der religiösen Gesinnung hat auch die Behandlung der
Untergebenen einen großen Einfluss auf den Geist des Heeres. Die
Vorgesetzten sind bis zu einem gewissen Grade für den Geist ihrer
Untergebenen verantwortlich.
Es ist eine Thatsache, dass ein Mensch eine große Macht auf das
innere geistige Iseben eines andern Menschen ausüben, dass ein Mensch
den andern nach sich bilden, die Denkungsart und den Willen des
andern bestimmen, sein Ich in das innere Wesen desselben übertragen
kann. Mit Recht sagt L. v. Stein in seinem System der Staatswissen-
schaft (II. Bd., S. 98): „Es reichen... unsichtbare Fäden von dem
Innersten des einen zum Innersten des andern hinüber. Es ist das
größte Geheimnis des geistigen Daseins, dass der Mensclı es am wenigsten
erlangt, da allein zu sein, wo er gleichsam allein er selber ist, in dem
ewig unerforschten Mittelpunkt seines innersten Wesens. Gerade hier
öffnet er sich dem andern, und der andere hat die Macht und den
Drang zugleich, Theil an jenem Innersten zu haben. Er kann dasselbe
bestimmen, erheben, zu Boden drücken, halten und bewegen.“
Ein Gemeinwesen ist nur dann ein starkes, wenn die Herrschaft
in demselben nicht nur auf Gewalt beruht, sondern zugleich eine geistige
ist. Die herrschende Classe in einem Gemeinwesen muss daher nach
der Macht über die Geister streben, und darf sich nicht mit bloß äußer-
lichen Zeichen des Gehorsams und der Treue begnügen. Die militärischen
Vorgesetzten müssen daher streben, durch ein überlegenes Wissen und
die Kraft ihres Geistes, durch eigenes Beispiel und Unterricht auf den
Geist der Untergebenen einzuwirken, und den innern Gehorsam, die
Treue und die Hingebung derselben zu erwerben.
Allerdings hat die Behandlung der Soldaten auf dem Princip der
Individualisierung zu beruhen, Nicht gegen alle Soldaten kann die gleiche