Der militärische Landesverrath. 195
ist neu, und liegen in verschiedenen Staaten gegenwärtig neue Gesetz-
entwürfe vor. Gesetzentwürfe können aber, bevor sie durch die Aller-
höchste Sanction des Staatsoberhauptes Gesetzeskraft erlangen, noch
manche Änderungen erleiden. Durch diesen Umstand glaube ich jedoch
in der Veröffentlichung des vorstehenden Aufsatzes nicht belıindert
zu sein. Die Gesetzentwürfe über den militärischen Landesverrath in
Friedenszeiten sind bestimmt, einem wahrhaft bestehenden Bedürfnis
abzuhelfen und Lücken in der bestehenden Gesetzgebung auszufüllen.
Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass die Gesetzentwürfe zu wirk-
lichen Gesetzen werden. Was aber die einzelnen Bestimmungen der
Gesetzentwürfe anbelangt, welche noch Änderungen erleiden können,
so erscheint es nur im Interesse der Sache selbst gelegen, dass die-
selben, bevor der Entwurf Gesetzeskraft erlangt, einer freien wissen-
schaftlichen Erörterung unterzogen werden.
In Deutschland ist gegenwärtig der militärische Landesverrath
durch die SS 87—91 des Reichs-Strafgesetzes und die SS 56—61, 160:
161 des Militär-Strafgesetzes normiert. Der obbezogene Entwurf enthält
manche Änderung der angeführten Paragraphen des Reichs-Strafgesetzes
und trifft neue Bestimmungen gegen den militärischen Landesverrath
und die Spionage in Friedenszeiten.
Bevor wir auf die neuere Gesetzgebung über den militärischen
Landesverrath eingehen, wollen wir, damit der historische Rückblick
nicht fehlt, in gedrängter Kürze von der auf den Gegenstand Bezug
habenden Gesetzgebung früherer Zeiten sprechen.
Die alten Griechen verstanden es sehr wohl, die Männer zu ehren,
welche sich um das Vaterland verdient gemacht hatten. Die Standbilder
großer Feldherren und Helden zierten die Städte, die Poesie feierte die
Verdienste um das Vaterland. Das Andenken jener, welche im Kampfe
gegen die Perser für das Gesammtvaterland, für die Freiheit und den
Ruhm Griechenlands fielen, oder sich durch Tapferkeit auszeichneten,
lebte fort von Generation zu Generation. Der Ehrung des Verdienstes
um das Vaterland entsprach die Strenge der Strafen gegen den Ver-
rath des Vaterlandes. Landesverräther waren zugleich Verräther der
heimischen Götter und wurden mit dem Tode bestraft, oft wurden auch
die Gebeine derselben unbeerdigt gelassen, was als eine noch schärfere
Strafe als die Todesstrafe selbst galt, da nach griechischer Auffassung
die Seelen der Unbeerdigten keine Rulıe fanden. Die Spartaner mauerten
den König Pausanias, welcher Griechenland dem Perserkönig verrathen
wollte, in dem Tempel, in welchen er sich geflüchtet hatte, ein, und
gaben ihn dem Hungertode preis, um zu zeigen, dass Landesverrätlier
nicht einmal des Schutzes der Götter theilhaftig sind und in den Tem-
peln derselben kein Asyl finden.