Der militärische Landesverrath. 01
des Feindeslandes als Verstöße gegen das Völkerrecht, während das
Privateigenthum derselben noch immer der Erbeutung unterlag. Nach
heutigen Völkerrecht wird der Krieg von Staat gegen Staat durch die
bewaffnete Kriegsmacht geführt. Jede Partei kann auf Beobachtung der
Kriegsmanier, d. h. der durch Sitte bestimmten rechten Weise des
Krieges rechnen. Der Kriegsmanier steht die Kriegsraison gegenüber,
welche die Anwendung des rauhen Kriegsrechts wegen Überschreitung
der Kriegsmanier von Seite des Gegners ist.
Nach heutigem Völkerrecht ist die Kriegsgefangenschaft eine tem-
poräre Haft, die von jeder Strafe frei sein muss. Friedlichen Einwohnern
des Feindeslandes darf kein Leid zugefügt werden. Das Privateigenthum
derselben kann zwar durch die Kriegs-Operationen in Mitleidenschaft ge-
zogen werden, es unterliegt aber nicht der Aneignung einzelner Soldaten-
Auch die Aneignung von nicht zur militärischen Ausrüstung der Coın-
battanten gehörigen Sachen ist verpönt.
Der Krieg ist darauf gerichtet, den Willen des Feindes zu brechen,
darauf wird mit Schlachten, Gefechten, Belagerungen und Märschen
hingearbeitet. Die Mittel, mit welchen der Krieg geführt wird, sind auch
heutzutage wie im Altertium Gewalt und List. Verboten ist völkerrecht-
lich nur die Kriegs-Tücke, z. B. fälschliche Deckung eines Ortes
durch das Zeichen der Genfer Convention, Bruch des dem Feinde ge-
gebenen Versprechens, denn: „etiam hosti fides servanda“. Es ist er-
laubt, den Gegner im Kampfe zu verwunden oder zu tödten. Werden
legitime Streiter gefangen, so darf ihnen kein weiteres Leid zugefügt
werden, und sind dieselben in ihrer Freiheit nur soweit zu beschränken,
um ihre Rückkehr auf den Kriegsschauplatz zu hindern.
Durch völkerrechtliche Verträge wurden Institutionen zur Milderung
des rücksichtslosen Kriegsrechts geschaffen. So hat z. B. die Pariser De-
claration vom Jahre 1856 manche Barbareien des Seekrieges, nament-
lich die Kaperei, beseitigt, so wurde durch die Genfer Convention das
Los verwundeter Kriege verbessert. Der Brüsseler Congress (1874), eiu
Verein von Delegierten aller europäischen Staaten, war bemüht, ein
System der Kriegsmanier, d.h. der durch die Übung des Völkerrechtes
vorgeschriebenen Milderung des strengen Kriegsrechts zu schaffen. Aller-
dings wurden die Bestimmungen «des Congresses aus militärischen Rück-
sichten, welche gegen einige derselben obwalteten, nicht ratificiert,
allein die Vereinbarungen des Oongresses sind doch von großer Wichtig-
keit für die Kriegsführung, da die meisten Bestimmungen nur das zum
Ausdruck bringen, was dem allgemeinen Rechtsbewusstsein entspricht.
Die Humanität im Kriege hat aber ihre Grenzen. Eine dieser
Grenzen ist die militärische Nothwendigkeit. Die Humanität kann im
Kriege nur soweit geübt werden, als es der Zweck des Krieges, d.h. die