Der militärische Landesverrath. 905
gleichkommen, militärisch organisiert sind und nach Kriegssitte vorgehen,
ist es eine Forderung der Humanität und des eigenen Interesses, dieselben
eher als Kriegspartei als eine Masse von Verbrechern zu behandeln.
Strafgerichtsbarkeit wird also gegen jene Personen
geübt, welche, ohne zum Kampfe berechtigt zu sein, der
feindlichen Kriegsmacht Vorschub leisten oder dem eigenen
Heere des betreffenden Staates Schaden zufügen. Nach
Kriegsgebrauch (dem Völkerrechte) werden jene, welche der Truppe
als Wegweiser dienen, und dieselbe absichtlich auf Irrwege führen, dann
jene, welche, ohne legitime Streiter zu sein, einzelne Soldaten über-
fallen, verwunden oder tödten, um hiedurch die Streitmacht des Staates
zu schwächen, welche im bereits oceupierten Lande Eisenbalınen und
Telegraphen zerstören, an militärischen Gegenständen (Kasernen, Maga-
zinen) Feuer legen, u.s. w. kriegsrechtlich mit dem Tode durch Er-
schießen bestraft, wenn nicht bei Ergreifung auf frischer That die
Niedermachung auf der Stelle eintritt.
Außerhalb des Kriegsrechtes stehen auch die Marodeurs und
Schlachtenhyänen. Unter Marodeurs werden jene Soldaten verstanden,
welche unter verschiedenen Vorwänden, meist unter dem Vorwande
einer Krankheit, zurückbleiben, um die Landesbewohner zu behelligen
und zu plündern. — Schlachtenhyänen werden jene Individuen genannt,
welche unbefugt dem Heere folgen, um auf den Schlachtfeldern (meist
in den Nächten) die Gefallenen und Verwundeten zu berauben.
Auch feindliche Spione springen über die Klinge. Die Spionage
ist schon so alt als der Krieg selbst. Schon in den Werken der Kriegs-
schriftsteller der antiken Welt wird großer Wert auf das Kundschafts-
wesen gelegt. Die Aufgaben, die das Heer im Kriege zu lösen hat,
werden demselben vom Gegmer gestellt. Es ist daher für die Kriegs-
partei von größter Wichtigkeit zu wissen, welche Stärke der Gegner
hat, welche Stellungen derselbe einnimmt, und welche Operationen be-
absichtigt werden. „Wenn man“, schreibt Friedrich der Große in seinen
„General-Prinzipia“ vom Kriege 1753, „jederzeit des Feindes Desseins
voraus wüsste, so würde man demselben mit einer inferieuren Armee
auch allemal überlegen sein.“ Welch großen Wert Napoleon I. auf ein
gut organisiertes Kundschaftswesen legte, geht auch aus den Schriften
des Feldmarschalls Grafen Radetzky hervor, welcher der Armee Öster-
reich- Ungarns (der anzugehören der Verfasser dieser kleinen Abhandlung
die Ehre hat) ob seiner großen Thaten und Charakter-Eigenschaften
stets unvergesslich bleiben wird. In einem im Jahre 1812 verfassten
Aufsatz!) schreibt Radetzky, dass die Franzosen in den österreichischen
I) „Denkschritten mulitär-politischen Inhalts aus dem handschriftlichen Nachlass
des Feldmarschalls Grafen Radetzky“, Stuttgart 1858, S. 73.