210 Der militärische Landesverrath.
des Hoch- und Landesverratlies, des Mordes und Aufruhrs und anderer
gemeingefährlicher Verbrechen competent. Die Kriegsgerichte bestehen
aus fünf Mitgliedern, und zwar aus zwei richterlichen Beamten des im
Orte befindlichen Civilgerichts und drei Öfficieren, welche der mili-
tärische Befehlshaber des Ortes ernennt. Das Verfahren ist ein sum-
marisches. Ein Auditeur fungiert als Berichterstatter und hat über die
Anwendung und Handhabung des Gesetzes zu wachen. Todesurtheile
werden von dem bezeichneten militärischen Befehlshaber, im Frieden
von dem commandierenden General der Provinz bestätigt. Eine Be-
rufung findet nicht statt.
Nach deutschem Staatsrecht ($ 68 der Reichsverfassung) kann der
Kaiser über jeden Gebietstheil (mit Ausnahme Bayerns) den Belagerungs-
zustand verhängen. Der Gesetzentwurf über den Belagerungszustand in
Elsass-Lothringen enthält die Bestimmung, dass für den Fall eines Auf-
ruhrs oder bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit der
Belagerungszustand vom Statthalter, im Falle eines Krieges aber von
dem commandierenden General über den ihm unterstehenden Bezirk
verhängt werden kann. Diese Bestimmungen sind, wie es in dem Mo-
tivenbericht heißt, aus militärischen Rücksichten getroffen, damit bei un-
vorhergesehenen Umständen der Kriegs-(Belagerungs-)Zustand so rasch
als möglich über größere oder beschränktere Gebietstheile verhängt
werden kann. Die Wirkungen des Belagerungszustandes sind ähnliche
wie die in dem obenerwälhnten preußischen Gesetz.
Die angeführten Strafbestimmungen beziehen sich meist nur auf
die Kriegszeit oder die Zeit, da ein Krieg unmittelbar auszubrechen
droht. Für die Friedenszeit enthielten die Gesetze der großen
Militär-Staaten über den militärischen Landesverrath und die Spionage
bisher nur mangelhafte Normen, weshalb man auch noch in den neueren
Werken!) über Staats- und Völkerrecht lesen kann, dass eine Spionage
nur in Kriegszeiten möglich ist. — Die großen militärischen Vorberei-
tungen, welche dermalen schon in Friedenszeiten getroffen werden, ver-
anlassten die Gesetzgebung, Strafnormen gegen die in Rede stehenden
Delicte, auch wenn sie in Friedenszeiten begangen werden, zu treffen.
Den Anfang machte in dieser Beziehung die Gesetzgebung Frank-
reichs. Nach dem für Frankreich unglücklichen Ausgang des Krieges
1870/71 vermeinte man überall Spione zu vermuthen, weshalb die Gesetz-
gebung, um der öffentlichen Meinung Rechnung zu tragen, dem Gegen-
stande Aufmerksamkeit zuwendete. Im Jahre 1886 erschien, wie bereits
oben gesagt, ein Gesetz gegen (den militärischen Landesverrath und die
Spionage („lsoi tendant & etablir des penalites contre V’espionage*), in
N) Dahn a. a. 0. 8. 18.