Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

Das Disciplinar-Strafreeht und das Prineip der Individualisierung. 917 
als Soldaten ohne Chargengrad zu bestrafen sein. Die Bekleidung einer 
Charge ist aber auch deshalb als Erschwerungsumstand anzusehen, weil 
mit einer Charge größere Pflichten verbunden sind. 
Was die subjective Scala des Maßstabes betrifft, so kommt zu- 
nächst in Betracht, ob Dolus (wirkliche böse Absicht) oder eine Fahr- 
lässigkeit vorhanden ist. Die wirkliche böse Absicht ist auch bei Über- 
tretungen gegen die militärische Disciplin strafbarer als die bloße Fahr- 
lässigkeit. Die Fahrlässigkeit wird aber dann strafbarer, wenn nicht 
bloß die allgemeine Verpflichtung zur Bedachtsamkeit verletzt wurde, 
sondern wenn noch besondere Umstände zu einer vorzüglichen Vorsicht 
aufforderten. 
Der strafberechtigte Vorgesetzte wird auch auf die Bildung und 
Erziehung des Schuldigen Rücksicht zu nelımen haben. Der Gebildete 
vermag die Strafbarkeit der Thai klarer einzusehen, als der Ungebildete 
oder gar Geistesschwache. Die Klarheit des Bewusstseins steigert aber 
die Strafbarkeit des Individuums. Von unserem Militär- Strafgesetze 
($ 114) wird bei militärischen Verbrechen und Vergehen die Recruten- 
eigenschaft als Milderungs-Umstand bezeichnet. Es wird daher auch bei 
Übertretungen gegen die militärische Disciplin auf die Länge der Dienst- 
zeit Rücksicht zu nehmen und Recruten unter sonst gleichen Um:- 
ständen milder als länger dienende Soldaten, welche bereits in die mili- 
tärische Pflichterfüllung sich eingelebt haben sollen, zu bestrafen sein. 
Auch die bisherige Aufführung des Schuldigen, ob derselbe bisher 
straflos war, oder sich bereits Strafeu zugezogen hat, und ob er auch 
sonst ein gutes Verlalten und eine entsprechende Verwendbarkeit an 
den Tag gelegt hat, wird zu berücksichtigen sein. Bei einen Soldaten 
von vorzüglicher Aufführung wird bei der ersten Übertretung, insoferne 
durch dieselbe nicht ein besonderes Recht verletzt wurde, unter Um- 
ständen ein bloßer Verweis, welcher in die Strafprotokolle nicht ein- 
getragen wird, genügen. 
Als Erschwerungsgrund ist der Rückfall anzusehen, d. h. wenn 
der Schuldige wegen einer gleichen Übertretung bereits einmal oder 
gar Öfter bestraft worden ist. Wenn das Gesagte überhaupt eines Be- 
weises bedarf, so ist ein solcher der Umstand, dass nach unserem 
Militär-Strafgesetz Disciplinar- Übertretungen, wenn dieselben bereits 
zweimal fruchtlos bestraft wurden, im neuerlichen Rückfall gerichtlich 
geahndet werden können. Übrigens kann auclı der Einfluss, den die 
Rückfälligkeit hat, durch das Vorhandensein von Milderungsumständen 
compensiert werden, 
Das Militär-Strafgesetz (sS 111 u. folg.) zählt, was die Bestrafung 
der Militärverbrechen und -Vergehen betrifft, Erschwerungs- und Milde- 
rungs-Umstände auf. Die in diesen Paragraphen aufgestellten Grund-
	        
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