Die Kriegsgefangenschatft. 291
Nach dem Kıriegsrechte der Römer wurden Feinde durch die Ge-
fangennehmung zu Sclaven. Männer, welche für die Unabhängigkeit des
Vaterlandes kämpften, vertauschten im Falle ihrer Gefangennehmung
die persönliche Freiheit mit dem Sclavenjoche. Anstatt der freien Luft
der heimischen Berge und Wälder athmeten sie oft die dumpfe Luft
der Kerker der römischen Amphitheater. Während sie früher Waffen
zur Vertheidigung der Freiheit des Vaterlandes führten, was immer und
überall als die größte Ehre angesehen wurde, erhielten sie in Rom
Waffen nur mehr zum Zwecke der so sehr beliebten Gladiatorenkämpte.
Frauen der Feinde wurden naclı ihrer Gefangennehmung Sclavinnen.
Dieses tragische Schicksal traf Thusnelda, die Frau des deutschen Heer-
führers Hermann, des Siegers im Teutoburger Walde.
Die Römer wandten diese Grundsätze nicht bloß zu ihren Gunsten
an, sondern hielten sich durch diese Grundsätze auclı gebunden, da die-
selben sich aus einer allgemeinen Völkerrechts-Ansicht ergaben, und
auch die andern Völker der antiken Welt auf gleiche Weise verfuhren.
Auch für den Römer zog die Kriegsgefangenschaft durch den Feind
den Verlust der Freiheit nach sich, auch der gefangene Römer wurde
Servus hostium. Das strenge Recht, welches sich aus der Anwendung
der Grundsätze über die Occupatio bellica ergab, wurde durch das Jus
postliminii gemildert. Der Römer, welcher aus der feindlichen Kriegs-
gefangenschaft wieder intra praesidia zurückkehrte, erlangte seine frühere
Freiheit und seine früheren Rechte wieder; vermöge einer juristischen
Fietion wurde angenommen, dass die Freiheit niemals verloren gegangen
ist (Hase, „Das Jus postliminii“, Halle 1851).
Das Jus postliminii hatte zur Voraussetzung, dass der Römer ohne
sein Verschulden in die Gewalt der Feinde gelangte. Überläufer, sowie
auch jene, welche sich mit den Waffen den Feinden ergeben hatten,
hatten keinen Anspruch auf das Jus postliminüt (l. 19, $ 7, D. 40, 16
Ulp. fr. II,S 8).
Die Härte des römischen Kriegsrechts überdauerte das römische
Reich. In den Kriegen des Mittelalters wurde mit großer Härte gegen
die Kriegsgefangenen verfalıren. Nur in einzelnen Fällen führte der
ritterliche Sinn eine humanere Behandlung herbei. Meist war der Grund
der Schonung nur die Aussicht auf ein entsprechendes Lösegeld.
Dem Christenthum gebürt das Verdienst, eine mildere Behandlung
der Kriegsgefangenen herbeigeführt zu haben. Schon das Lateranische
Coneil unter Alexander III. (1179) hatte verboten, Cliristen zu Sclaven
zu machen und zu verkaufen. Nach und nach fand die von der christ-
lichen Lehre aufgestellte Theorie in die Kriegspraxis Aufnahme. Schon
zur Zeit als Hugo Grotius sein berühmtes Werk „De jure belli ac
pacis“ schrieb, welches Werk den Ausgangspunkt der völkerrechtlichen