Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

222 Die Kriegsgefangenschatt. 
Literatur bildet, verfielen die Kriegsgefangenen nicht mehr der Sclaverei. 
Bereits im Anfange des 17. Jahrhunderts wurden Verträge zur Aus- 
wechslung der Kriegsgefangenen geschlossen. Im dreißigjährigen Kriege 
war, trotz des religiösen Fanatismus, mit welchem der Krieg geführt 
wurde, und trotz der Verrohung der Sitten infolge der langen Kriegs- 
dauer das Los der Kriegsgefangenen ein besseres als früher. Die Ge- 
fangenen wurden Mann für Mann (Charge für Charge) ausgewechselt, 
während für den Überschuss eine Lösegeld gezahlt wurde. Es ist gewiss 
interessant, dass die Grundsätze, auf welchen die Genfer Convention 
(1864) beruht, schon im 17. Jahrhundert in den Verträgen der Krieg- 
führenden sich vorfinden, indem für das ärztliche Personal entweder ein 
geringes Lösegeld vereinbart wurde oder dasselbe auch ohne Lösegeld 
zurückgegeben wurde (Jähns, „Geschichte der Kriegswissenschaften“, 
II, S. 1089, 1191). Vielfache Verträge wurden im 18. Jahrhundert zur 
Milderung des Loses der Kriegsgefangenen geschlossen, und in den- 
selben namentlich der verwundeten Kriegsgefangenen gedacht. In einigen 
Verträgen wurde das Lösegeld für die Kriegsgefangenen gänzlich aus- 
geschlossen und bestimmt, dass denselben auch ein Sold (den Verwun- 
deten ein doppelter Sold) verabreicht werden soll (Jähns, 1. c., III, S. 1911). 
In einzelnen Cartels (z. B. dem Frankfurter Cartel zwischen Österreich 
und Frankreich vom Jahre 1743) wurde sogar die Bestimmung auf- 
genommen, dass Kranke und Nichtcombattanten von der Kriegsgefangen- 
schaft ausgenommen sein sollen. In Bezug auf das Beutemachen an 
Sachen der Kriegsgefangenen war jedoch die Kriegsmoral im 18. Jahr- 
hundert noch eine ziemlich laxe. In den Cartels zwischen Österreich 
und Preußen (1741) und zwischen Preußen und Russland (1759) war 
ausdrücklich bestimmt, dass den Kriegsgefangenen bei der Gefangen- 
nahme (auf der Stelle) Sachen abgenommen werden können. Es konnte 
also dieses „Bisschen plündern“ vertragsmäßig stattfinden. Eine Milde- 
sung des Beuterechts bestand nur darin, dass das Eigenthum einzelner 
Kriegsgefangenen (z. B. der Nichtcombattanten) von dem Beutemachen 
ausgeschlossen wurde und dass den Kriegsgefangenen die nöthigen 
Kleidungsstücke gelassen werden mussten. In dem citierten, zwischen 
Österreich und Preußen abgeschlossenen Ranzionierungs-Vertrag vom 
Jahre 1841 ist mit großer Genauigkeit angegeben, wie viel Gulden für jede 
einzelne Charge jeder Waffengattung zu zahlen waren. Höhere Chargen 
konnten für eine genau angegebene Anzahl niederer Chargen ausge- 
wechselt werden. Ferner ist in diesem Cartel ausdrücklich bestimmt, 
dass es unverboten bleiben soll, Kriegsgefangenen etwas abzunehmen, 
nur sollen dieselben nicht zu hart behandelt oder ihnen gar das Leben 
genommen werden. Übrigens wird bestimmt, dass die Gefangenen ver- 
pflegt und hiebei auch auf ihren Charakter gesehen werden soll. Die
	        
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