296 Die Kriegsgetangenschatt.
Gesetzgebungen. Es bestimmt z. B. der $ 158 des deutschen Militär-
Strafgesetzes: „Auf strafbare Handlungen eines Kriegsgefangenen finden
nach Maßgabe seines Militär-Ranges die Vorschriften dieses Gesetzes
entsprechende Anwendung.“
Auf Kriegsgefangene können die Bestimmungen des Militär-Straf-
gesetzes keine Anwendung finden, welche der Natur der Sache nach
eine Militärperson des betreffenden Staates als Thäter voraussetzen.
Es wird z.B. ein Kriegsgefangener nicht wegen Achtungsverletzung
oder Ungehorsam gegenüber einem andern Kriegsgefangenen höherer
Charge bestraft werden, da es nicht Aufgabe des Staates, in dessen
Machtsphäre die Kriegsgefangenen sich befinden, ist, die Subordina-
tion der Kriegsgefangenen unter einander aufrecht zu erhalten, da es
nicht Zweck der militärischen Gesetzgebung ist, der Subordination
der Kriegsgefangenen gemäß dem von der fremden Kriegsverwaltung
verliebenen COhargen-Graden Geltung zu verschaffen. Allerdings kann
die heimische Gesetzgebung der Kriegsgefangenen verlangen, dass die-
selben auch während der Kriegsgefangenschaft ihren mitgefangenen Vor-
gesetzten und Höheren Achtung und Gehorsam zollen, und können
auch während der Kriegsgefangenschaft begangene Insubordinationen
mit Bedachtnahme auf die durch die Kriegsgefangenschaft hervorge-
rufenen Verhältnisse nach der Rückkehr in die Heimat bestraft werden.
Der Staat aber, unter dessen Macht die Kriegsgefangenen stehen, sieht
nur jenen Kriegsgefangenen als Vorgesetzten an, welchen seine eigenen
Organe als Vorgesetzten der Kriegsgefangenen bestimmt haben.
Der Kriegsgefangene, welcher, um sich der Kriegsgefangenschaft
zu entziehen, entweicht, kann nicht wegen Fahnenflucht (Desertion) be-
straft werden, da er nur seiner Falıne Treue schuldig ıst, und die
Fahnenflucht ein Bruch dieses Treueverhältnisses ist. Nach deutschem
Militär-Strafrecht kann wegen einer Entweichung eines Kriegsgefangenen
(abgesehen von dem Bruche eines gegebenen Eihrenwortes, von welchem
Falle weiter unten geliandelt wird) nur die Bestrafung wegen eigen-
mächtiger Entfernung eintreten.
Auch die Strafbestimmungen über die Selbstbeschädigung, -Vor-
schützen von Gebrechen, finden auf die Kriegsgefangenen keine An-
wendung.
Nach dem obangeführten Paragraph des deutschen Militär-Strat-
gesetzes soll für die zuerkennende Arreststrafe bei den deutschen Militär-
personen der Militär-Rang der Kriegsgefangenen maßgebend sein. Ab-
gesehen hievon ist jedoch der Militär-Rang der Kriegsgefangenen in
strafrechtlicher Beziehung ohne Belang. Namentlich wird nicht auf
die militärischen Ehrenstrafen der Entlassung, Degradierung etc. zu
erkennen sein.