20 Das Recht und die Pflicht der Anwendung der Watte.
unser Gesetz eine Nothwehr zur Vertheidigung der Ehre im allgemeinen
ausschließt, hat es dieselbe bei Oflicieren zugelassen. Die moralische
Stellung des Officierscorps macht diese Erweiterung der Nothwehr
nöthbig, und wird daher in einem Militär-Strafgesetz eine besondere
Gestattung der Nothwehr für Ofliciere nicht entbehrt werden können.')
Wenn Officiere oder den Officiers-Charakter bekleidende Militär-
Personen, an der Ehre in Gegenwart einer oder mehrerer anderer Per-
sonen rechtswidrig angegriffen, sich, um der Fortsetzung solcher Be-
leidigung ein Ziel zu setzen, auf der Stelle der ihnen zuständigen Waffe
bedienen, und der Zweck nicht auf andere Art erreicht werden konnte,
und im Gebranche der Wafle das Maß unumgänglicher Nothwendigkeit
nicht überschritten wurde, so hat die Strafbarkeit wegen einer solchen
That ganz zu entfallen ($ 114, lit. d, M.-St.-G.).
Man sieht aus der Stilisierung dieser Gesetzesstelle, dass die Ehren-
nothwehr des Officiers von vielen Bedingungen abhängig gemacht und
auf das Maß der unumgänglichsten Nothwendigkeit reduciert wird.
Damit die Haudlung durch Nothwehr entschuldigt erscheint, muss ein
rechtswidriger Angriff auf die Ehre des Officiers erfolgt sein: wenn der
Officier selbst die Angriffe auf seine Ehre verschuldet hat, so stelıt ilım
das Recht der Nothwehr nicht zu. Die weiteren Bedingungen der
Ehrennothwehr bestehen darin, dass die Beleidigung in Gegenwart.
einer oder mehrerer Personen erfolgt ist, dann dass eine Fortsetzung
der Beleidigung zu befürchten war, und der Beleidigte auf der Stelle
der zuständigen Waffe, zu deren Tragen er dienstlich berechtigt und
verpflichtet ist, sich bediente, und endlich kein anderes Mittel vorhanden
war, um der Fortsetzung der Beleidigung Einhalt zu thun. Niemals
aber kann einem Officier zugemuthet werden, dass er, um der Fort-
setzung der begonnenen Beleidigungen zu entgehen, die Flucht ergreife
oder sich überhaupt von dem Orte, wo er sich befindet, fortbegebe.
Immer wird es hier, wie überhaupt, wenn die Frage vorliegt. ob Notlı-
wehr vorhanden ist, nöthig sein, sich in die Lage des Beleidigten ver-
setzt zu denken und zu erwägen, dass er rasch und olme lange Über-
legung handeln musste.
IT. Recht der Anwendung der Waffe des Vorgesetzten gegen den
Untergebenen.
Es ist selbstverständlich und braucht kaum erwähnt zu werden,
dass dem Vorgesetzten auch gegen rechtswidrige Angriffe des Unter-
gebenen das Recht der Nothwehr zusteht. Ebenso selbstverständlich
und durch die Militär-Gesetzgebungen aller civilisierten Staaten aner-
I), Hye, „Commentar zum Strafigesetz“, S. 200.