Das Recht und die Pflicht der Anwendung der Waffe. 2
kannt ist, das Misshandlungen der Untergebenen strenge zu bestrafen
sind. Allein der Vorgesetzte kann auch außer dem Falle der Nothwehr
in die Lage kommen, von der Waffe gegen den Untergebenen Gebrauch
machen zu müssen. Im Falle der äußersten Noth und dringendsten
Gefahr nämlich kann der Vorgesetzte, um seinen Befehlen Gehorsam
zu verschaffen, gegen den renitenten Untergebenen von der Waffe Ge-
brauch machen, vorausgesetzt, dass ihm kein anderes leichteres Mittel
zugebote stand. Unser Strafgesetz enthält keine generelle Bestimmung
über das Waffenrecht des Vorgesetzten gegen den Untergebenen, son-
dern erwähnt nur einzelne Fälle dieses Rechtes (bei dem Verbrechen
der Feigheit, der Plünderung u. s. w.), allein das Dienst- Reglement
Punkt 659, I. Theil), welches die Richtschnur für jeden Soldaten ist
hat die diesbezüglichen nöthigen Normen aufgestellt. Es spricht zwar
nur den Officieren das Recht des Waffengebrauches gegen die Unter-
gebenen in Nothfällen, wenn kein anderes Mittel zugebote steht, zu,
allein gleiches muss im Geiste der Militär-Gesetzgebung auch von Unter-
officieren gelten, die sich in einer ähnlichen Nothlage befinden.
Das Waffenrecht des Vorgesetzten gegen den Untergebenen kann
auch im Frieden stattfinden, wie bei Alarmierungen, Ausrückungen zur
Erhaltung oder Herstellung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, sowie
gegen ungestüm oder thätlich sich widersetzende Untergebene, wird
Jedoch häufiger im Kriege nothwendig werden. In Kriegszeiten kann
das schlechte Beispiel Einzelner leicht von nachtheiligem Einflusse auf
die anderen sein, und dadurch eine Katastrophe herbeigeführt werden.
Oft wird der in den Gemüthern durch schlechtes Vorbild hervorgerufene
nachtheilige Einfluss nur durch ein auf der Stelle an dem Schuldigen
vollführtes abschreckendes Beispiel zu paralysieren sein. Es ist deshalb
vom Militär-Strafgesetze dem Vorgesetzten das Recht eingeräumt, in
derartigen Fällen von der Waffe gegen den Untergebenen Gebrauch
zu machen. Dies findet statt:
1. beim Verbrechen der Feigheit.
Die Gefahren, welche an den Soldaten im Kriege herantreten,
sind mannigfach; er kann in die Gelegenheit kommen, sich selbst in
Erfüllung seiner Pflicht aufopfern zu müssen. Die durch den militärischen
Diensteid übernommene Pflicht der Tapferkeit gebietet dem Soldaten,
in den Gefahren auszuharren, während der mächtige Trieb der Selbst-
erhaltung jeden die Gefahren zu meiden lehrt. Die von einzelnen Sol-
daten an den Tag gelegte Muthlosigkeit kann leicht auch bei anderen
Muthlosigkeit hervorrufen, und dadurch ein abschreckendes Beispiel
nöthig werden.
Die Kriegsgeschichte des Alterthums lehrt, dass schon die Alten
von der Nothwendigkeit solcher Maßregeln überzeugt waren. Der