Das Recht und die Pflicht der Anwendung der Wale. 37
Rechtsordnung auflehnen, fast wie gegen Feinde von der Wafle Ge-
brauch zu machen. Dieses ist der Fall, wenn zur Bewältigung vun
Tumulten oder Aufständen der Soldat von den militärischen Befehls-
habern, beziehungsweise diese von dem obersten Kriegsherrn den Betehl
erhalten, behufs Herstellung der Ruhe Gewalt anzuwenden. Der Unter-
schied des Waffengebrauches in diesen Fällen von der gegen den Feind
im Kriege besteht darin, dass das Gesetz (Vorschrift) genau die Voraus-
setzungen und Formen, unter welchen die Waffenanwendung stattfindet,
bestimmt. Die Formen bestehen darin, dass durch erkennbare Zeichen
an jeden die Herausforderung ergeht, sich zurückzuziehen. Ohne Ein-
haltung der Formen darf nicht die Waffe gebraucht werden, sind aber
dieselben beobachtet, so hat der Soldat die Pflicht zur Wattenanwen-
dung.!) Der Soldat hat dann nicht zu prüfen, auf wessen Seite das Recht
ist, er hat nicht zu politisieren, sondern dem Commandoworte Folge zu
leisten. Es ist so sehr im Wesen eines Heeres gelegen, dass dasselbe von
Einem Willen beherrscht wird, dass sich ein Heer olıne Subordination
nicht denken lässt. Der Soldat hat wie jeder Bürger die bestehenden
Gesetze zu beobachten (staatsbürgerlicher Gehorsam), allein der Soldat
hat außerdem durch den Diensteid angelobt, den Befehlen der mili-
tärischen Vorgesetzten zu gehorchen (militärischer Gehorsam). In Fällen,
da es sich fragt, ob die Anwendung der Waile einzutreten habe, muss
der staatsbürgerliche dem militärischen Geliorsam untergeordnet sein,
weil dies der Dienst erfordert. Man mag über die französische Revolu-
tion was immer für ein Urtheil fällen, selbst wenn man der Ansicht
wäre, dass dieselbe mit ihren Folgen zum Wohle der Nationen gereicht
hat, so sind doch immer die Soldaten des französischen Königs, welche
mit den aufrührerischen Bürgern fraternisierten und den militärischen
Vorgesetzten den Gehorsam verweigerten, eidbrüchig und somit strafbar
gewesen.
Hat nun aber der Soldat unbedingt den Befehlen zu gehorchen,
so ist derselbe unzweifelhaft für die Folgen nicht verantwortlich, —
alle Verantwortung geht auf diejenigen über, deren Befehle er vollzog.
Das Dienst-IVeglement (I. Theil, Punkt 516) bestimmt die Voraus-
setzungen und Formen der Anwendung der Watte gegen die Mitbürger.
Der Walfengebrauch hat nämlich einzutreten: 1. bei Tumulten, wenn
der politische Beamte die Aufbietung der Truppengewalt verlangt, und
der militärische Befehlshaber auch von der Nothwendigkeit des Ein-
schreitens überzeugt ist; 2. wenn eine Truppe thätlich insultiert oder
mit Waffen angegriffen wird. Zuerst ist ein Bajonnett-Angriff zu ver-
suchen, und wenn dieser nicht ausreicht, ist von der Feuerwaffe Ge-
') Stein a. a. O., S. 169; „Verwaltungslehre“, IV. Bd., 8. 65.