Die Grenzen des Diseciplinar-Strafrechtes. 53
Wenn endlich ein Soldat unwahre Leiden vorgibt, um für einige Zeit
dem militärischen Dienste sich zu entziehen, so liegt falsches Marodieren
vor, welches im Disciplinarwege bestraft wird.')
h) Diebstahl,?) Veruntreuung.
Wir wollen hier die Frage beantworten, unter welchen Bedingungen
Personen des Mannschaftsstandes wegen gewinnsüchtiger Handlungen
im Disciplinarwege bestraft werden können.
Die Beantwortung der Frage ist umso wichtiger, als die betreffenden
Bestimmungen des Dienst-Reglements nur im Zusammenhange mit dem
Militär-Strafgesetze richtig verstanden werden können.
Unser Dienst-Reglement (Punkt 649 des I. Theiles) sagt:
„Verbrechen überhaupt, sowie Vergehen, welche aus Gewinnsucht
hervorgehen, insbesonders Diebstahl, Veruntreuung oder Theilnahme
daran, dürfen im Disciplinarwege nicht bestraft werden. Nur bei ganz
geringfügigen strafbaren Handlungen dieser Art, namentlich auch bei
Entwendungen oder Veruntreuungen von Gegenständen im Werte unter
fünfzig Kreuzer, ferner bei Entäußerungen ärarischer Gegenstände im
Werte von weniger als einem Gulden, wird es den Truppen- und sonstigen
selbständigen Commandanten (Functionären) anheim gestellt, den Thäter,
wenn er geständig ist und keine Charge bekleidet, im Disciplinarwege
zu bestrafen.“
Es können also naclı dem Wortlaute des Dienst-Reglements Ent-
wendungen und Veruntreuungen von Gegenständen im Werte unter fünf-
zig Kreuzer im Disciplinarwege abgethan werden. Voraussetzung
ist jedoch, dass die That sich nicht als Verbrechen quali-
ficiert, da „Verbrechen überhaupt“ nicht der disciplinaren Behandlung
unterliegen. Es ist daher hier zwischen Entwendungen (Diebstählen)
und Veruntreuungen zu unterscheiden, da erstere, nicht aber letztere,
unter Umständen, auch wenn der Wert des entwendeten Gegenstandes
fünfzig Kreuzer nicht beträgt, Verbrechen sein können. Ein Diebstahl
liegt dann vor, wenn jemand um seines Vortheils willen eine fremde
bewegliche Sache aus dem Besitze eines anderen entzieht, während
eine Veruntreuung vorhanden ist, wenn jemand eine ihm übergebene
(anvertraute) Sache rechtswidrig für sich entwendet oder behält.
1) Nach SS 47 und 70 des Welhrgesetzes vom Jahre 1889 begelt derjenige,
welcher sich listiger Umtriebe schuldig macht, um sich der Wehrpflicht zu entziehen,
ein Vergehen, welches mit strengem Arrest von einen Monat bis zu einem Jahr
bestraft wird.
2) Vgl. die ausführlichen Erklärungen im „Disciplinar-Strafrecht im k. k. Heere“
von Löffelmann, S.22 u. fl, und im „Handbuch zum Disciplinar-Strafrechte“ von
Ludwig v. Hadary, 8.15 u. fl.