Die Militär-Gerichtsbarkeit in ihrer historischen Entwicklung etc. 75
Gerichtsbarkeit auf alle Delicte der dem Heere angehörigen Personen
die staatsrechtlichen Verhältnisse, in Deutschland das Verhältnis des
Reiches zu den Einzelstaaten, in Österreich-Ungarn das staatsrechtliche
Verhältnis der beiden Reichshälften zueinander.
In England ist die Militär-Jurisdiction allerdings auf die reinen
Militärdelicte beschränkt; allein die englischen Heeres-Einrichtungen
können in keiner Weise wegen der maritimen Stellung Englands als
Muster für die Armeen des Continents dienen. In Österreich-Ungarn
und Deutschland erstreckt sich die Militär-Jurisdiction über alle straf-
baren Handlungen der Militärpersonen, und nur in einzelnen Punkten
bestehen Verschiedenheiten.
Sonderbar ist, dass die Unterstellung der activen Militärpersonen
in gemeinen Strafsachen unter die Civil-Gerichtsbarkeit, welche von
verschiedenen Seiten angeblich im Interesse der Militärpersonen befür-
wortet wird, von diesen selbst gar nicht gewünscht wird. „Der Rock
des Officiers und sogar des Unterofficiers verträgt nicht den Sitz auf
der Anklagebank eines Civilgerichts in Gegenwart von neugierigen
Gaffern. Das ganze Officierscorps würde es als eine capitis deminutio
empfinden, würde ein Fehltritt eines Einzelnen in solcher Weise breit-
getreten werden.“ (v. Richthofen, „Reform der Militär-Strafprocess-Ord-
nung“, 1877.) „Man nenne dies einen ungerechtfertigten Dünkel; jeden-
falls hat gerade dieses Standesbewusstsein, dieser Glaube an eine her-
vorragende Stellung hervorragende und besondere Leistungen im
Augenblicke der Gefahr geboren.“
Schmutzige Wäsche gibt es überall. Die Armee will sie im eigenen
Hause waschen. „Wenn sie nur jeder so gründlich waschen wollte, wie
es .in der Armee geschieht.“ (Reinsdorf, „Zur Frage des Militär-Straf-
processes und seiner Reform“, 1885.)
Wir sind also zu dem Resultate gekommen, dass die Militär-Ge-
richtsbarkeit in dem Umfange, wie sie in Deutschland und Österreich
besteht, — mit Recht besteht.