Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

78 Die Bedeutung des militärischen Befehles für das Militär-Strafrecht. 
den Untergebenen niemals eine Verantwortung treffen soll, wenn auch 
die anbefohlene Handlung ein gemeines oder militärisches Verbrechen 
oder Vergehen bildet, und dass somit der Soldat einen blinden Ge- 
horsam schuldig ist.') Andere Juristen?) unterscheiden zwischen schweren 
und leichten Verbrechen: — bei den ersteren soll der Befelil nicht ent- 
schuldigen, wohl aber bei den letzteren. 
Es ist nicht nöthig, dem Soldaten einen blinden Gehorsam in 
der Weise aufzuerlegen, dass derselbe auch strafgesetzlich verbotene 
Handlungen auf Befehl verrichten muss.?) Der militärische Gehorsam 
wird des Dienstes halber geschuldet. Die Pflicht zum Gehorsanı bildet 
die Regel, welche nur eine Ausnahme hat. Es besteht nämlich eine 
Pflicht zum Gehorsam danu nicht, wenn die anbefohlene Handlung 
durch ein Strafgesetz verboten ist. Unser Militär-Strafgesetz verpflichtet 
den Soldaten zum unbedingten Gehorsam, bestimmt aber, dass die Nicht- 
befolgung eines Befehles dann nicht strafbar ist, wenn: 
a) der Befehl dem Dienste oder der dem Jaandesfürsten schuldigen 
Treue offenbar zuwider ist: 
b) wenn der Befehl eine Handlung oder Unterlassung zum Gegen- 
stande hat, in welcher offenbar ein Verbrechen oder Vergehen 
zu erkennen ist. 
Im Dienst-Reglement (I. Thl., Pkt. 66) heißt es: „Nur dann, wenn 
ein Befehl klar und oflenbar gegen die beschworene Eidespflicht, die 
Wohlfahrt des Staates oder den Dienst gerichtet wäre, desgleichen wenn 
er eine durch das Strafgesetz verbotene Handlung verlangen würde, 
hat der Untergebene, nachdem er alle Umstände wohl erwogen, den 
Gehorsam nicht zu leisten.“ 
Der erste vom Gesetze und vom Reglement angeführte Fall, wenn 
nämlich der Befehl gegen den Dienst oder die dem Landesfürsten (dem 
obersten Kriegsherrin) schuldige Treue gerichtet. ist, ist eigentlich in 
dem zweiten Falle enthalten (und wird vom Gesetze nur der größeren 
Deutlichkeit halber angeführt), da eine jede Handlung, welche die Treue 
gegen den obersten Kriegsherrn verletzt, ein militärisches Delict ist. 
Der oberste Kriegsherr ist das Haupt des Staates, ihm ist Jeder Soldat 
unbedingte Treue schuldig, sein Wille ist es, welcher ausschließlich im 
Heere herrscht. Der Soldat hat keine Politik zu treiben, sondern dem 
Befehle des obersten Kriegsherrn zu gehorchen. Ein Befehl eines 
1) „Das Wort ist frei, die That ist stumn, der Gehorsam blind“ („Wallensteins 
Lager“ von Schiller, sechster Auftritt). 
2) Farinacius, quaest. 97, n. 5; Gomez, „De deliet.”, cap. 3. 
3) Zu weit geht Brauer a. a. O., S. 397, wenn er bei der erfolgten Verleitung 
der Untergebenen zum Treubruch nur den Vorgesetzten für strafbar hält. Der An- 
sicht Brauers stimnit jedoch Damianitsch a. a. O., S. 74, bei.
	        
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