Full text: Militär-Rechtliche und Militär-Ethische Abhandlungen.

Das Militär-Strafrecht des Alterthums und der Gegenwart. 5 
Militär-Verbrechen, d.i. solche, welche nur von Soldaten als solchen, 
und gemeine Verbrechen, welche sowohl von Soldaten, als auch von 
Nichtsoldaten begangen werden können. Die Militär-Verbrechen sind 
ein Bruch der besonderen militärischen Standespflichten: der Treue, des 
Gehorsams, der Tapferkeit und der Wachsamkeit. Der Soldat gelobt 
durch einen Eid, diese Pflichten zu erfüllen, und muss sie vermöge des 
abgelegten Eides halten. 
In Rom mussten die ausgeliobenen Soldaten, wie die Consuln bei 
Antritt ihres Amtes einen Eid (sacramentum) leisten; die Tribunen ver- 
sammelten die Soldaten ihrer Legion und wählten einen derselben aus, 
welcher die solenne Eidesformel feierlich aussprechen musste, worauf 
die anderen durch die Worte: „idem in me“ denselben Eid leisteten. 
Die in Centurien eingetheilten Legionäre, sowie die Ritter in ihren 
Decurien versprachen sich untereinander eidlich, nicht die Flucht zu 
ergreifen und ihre Reihen nicht zu verlassen, welcher Eid anfangs frei- 
willig war, später aber gesetzlich gefordert wurde (Livius, XXII, 38). 
In den Armeen der Gegenwart werden die Assentierten durch den 
Fahneneid auf die Kriegsartikel verpflichtet, und nur derjenige, welcher 
diesen Eid abgelegt hat, wird Soldat genannt und als solcher auch in 
strafrechtlicher Beziehung behandelt. | 
Alle Militär-Delicte lassen sich somit auf einen Eidbruch zurück- 
führen, welchen der Staat zur Erhaltung der Armee und somit seiner 
selbst gerade so wie die gemeinen Verbrechen des Mordes, des Dieb- 
stahls, der Brandlegung u. s. w. entsprechend bestrafen muss, wie dies 
auch seit jeher bei allen Nationen der Fall ist, und nur in den Utopien 
der Naturrechtslehrer, die sich niemals realisieren werden, sind Militär- 
Delicte nicht vorhanden. ') 
Außer den eigentlichen Militär-Delicten gibt es aber noch so- 
genannte militärisch qualificierte gemeine Verbrechen, welche, wie schon 
die scharfsinnigen römischen Juristen hervorheben, bei Soldaten zur 
Erhaltung der Disciplin strenger bestraft werden müssen als bei Nicht- 
soldaten. „Quaedam delicta pagano aut nullam aut leviorem poenam 
irrogant, militi vero graviorem“ (1. 4, 48, 19). 
Ich will von diesen Delicten nur den Diebstahl hervorheben. Der 
Diebstalıl ist ein gemeines Delict, da einen Diebstahl sowohl ein Soldat 
als auch ein Nichtsoldat begehen kann. Entwendet aber ein Soldat 
einem anderen Soldaten etwas, so wird der Diebstahl durch die Ver- 
letzung des militärischen Vertrauens desto strafbarer. 
Der Historiker Polybius (1. VI, $ 36) berichtet uns, dass ein Dieb- 
I) Über die Militärgerichte der Römer vgl. Geib, „Geschichte des römischen 
Criminalprocesses“, S. 502, und Bethmann-Hollweg, „Handbuch des Civilprocesses“, 
I. Bd., S. 93. 
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