88 Über den heutigen Stand der Militär-Rechtswissenschatt u. -Gesetzgebung.
wendet.!) Das Leben des Soldaten machte für denselben freiere Be-
stimmungen in privatrechtlicher Bezielung nötlig, was allmählich
eine weitgreifende Umgestaltung des ganzen römischen Civilrechts zur
Folge hatte.
So war z.B. das Soldaten-Testament für die Fortentwicklung des
römischen Erbrechtes von Wichtigkeit. Die vielfachen Beschränkungen
des Erbrechtes und die Förmlichkeiten der Testaments- Errichtung,
welche naclı altem Rechte bestanden, passten nicht für den Soldaten
im Felde. Für den Soldaten musste zuerst ein freieres Erbrecht ge-
schaffen werden. Manche Bestimmungen über das Erbrecht und die
Testaments-Errichtung, welche ursprünglich nur für den Soldaten er-
lassen waren, wurden später auf den. Bürger ausgedelint. Eine gleiche
Bewandnis hatte es mit dem castrense peculium. Das in der väterlichen
Gewalt stehende Kind war ursprünglich gleich dem Sclaven unfähig,
eigenes Vermögen zu haben. Eine Ausnahme wurde zuerst hinsichtlich
des aus Anlass Jdes Kriegsdienstes Erworbenen (castrense peculium)
geschaffen, in welcher Beziehung der IIaussolhn als Pater familias an-
gesehen wurde. Nach Analogie des castrense peculium wurde die Ver-
mögensfähigkeit des Haussolimes in Bezug auf andere Erwerbungen
(quasi castrense peculium, bona adventitia) anerkannt.?)
Das eben über das römische Privatrecht Gesagte hat für uns nur
mehr rechtshistorisches Interesse, In privatrechtlicher Beziehung bestehen
gegenwärtig, wie oben bemerkt, nur vereinzelte Sonderbestimmungen
für den Militärstand. In bürgerlichen Rechts-Angelegenheiten besteht
auch keine Militär-Gerichtsbarkeit, sondern sind für den Soldaten die
Civilgerichte competent.?) Eine (reffliche Zusammenstellung der privat-
rechtlichen Sonderbestimmungen für die Personen des deutschen Heeres
hat Daude, „Die bürgerlichen Reclitsverhältnisse der Militärpersonen*,
1880, geliefert. Vergl. auch: Dangelmaier, „Militär-Privatrecht“, 1882.
Hier haben wir uns, wie bereits oben bemerkt, nur mit dem
Militär-Strafrecht zu beschäftigen, und wollen im folgenden unter-
suchen, was die Rechtswissenschaft bisher auf diesem Gebiete geleistet
hat, und welches ihre künftige Aufgabe ist. — Das Militär-Strafrecht
I) Savignv, „Vom Berufe unserer Zeit für Gesetzgebnng und Rechtswissen-
schaft“, S. 32.
2) Vgl. Fitting, „Zur Geschichte des Solditen-Testaments“, Halle 1866: derselbe,
„Das Castrense peeulium“,
3) Stein verwechselt in seinem eitierten Werke die Jurisdietion in bürgerlichen
Rechtsangelegenheiten und die Jurisdietion in gemeinen Delieten. Die Militär-Gerichts-
barkeit in Civilrechts-Angelegenheiten wurde in Frankreich durch das Deeret vom
30. September 1791, in Preußen durch die Cabimelsordre vom 19. Juli 1809 und in
Österreich dureh das Gesetz vom 20. Mai 1869 aufgehoben.