92 Über den heutigen Stand der Militär-Rechtswissenschaft u. -Gesetzgebung.
auf die historische Entwicklung des Militär-Strafverfahrens und die
Verhältnisse des Militärstandes den Nachweis unternommen, auf welchen
Grundlagen ein gerechtes Militär-Strafverfahren zu beruhen und welche
Sonderheiten dasselbe zu enthalten hat.
Nach Hilses Ansicht soll sich die Militär-Gerichtsbarkeit auf alle
Strafsachen des Soldaten erstrecken. Ein Militär-Strafprocess soll auf
den Principien der Öffentlichkeit, der Anklage, der Mündlichkeit be-
ruhen. Das Recht der Vertheidiguug soll erweitert und die freie Beweis-
würdigung eingeführt werden.
Der militärische Befehlshaber soll das Bestätigungsrecht der
militär-gerichtlichen Urtlieile haben und berechtigt sein, unter gesetz-
lich geordneten Voraussetzungen ein zweites Urtheil herbeizuführen.
Die militärischen Spruchgerichte sollen aus Standesgenossen bestehende
Schöffengerichte sein, und soll zu denselben ein Militär-Jurist als Rath-
geber zugezogen werden.
Denselben Gegenstand behandelt auch das Werk: „Der preußische
Militär-Strafprocess und die Reform des Militär-Strafverfahrens“ von
Fr. Bothe, 1874.
Bothe bespricht den Friecius’schen Entwurf, die württembergische,
bayrische, französische und preußische Militär-Strafprocess-Ordnung,
und spricht den Satz aus, dass der preußische Strafprocess durch
Herausschälung des alten Kernes modernisiert, und die Grundlage einer
deutschen Militär-Strafprocess-Ordnung werden kann.
Auch Bothe kommt zu dem Resultat, dass ein Militär-Stratprocess
auf den modernen Principien (Mündlichkeit, Anklage, Öffentlichkeit)
beruhen soll. Den militärischen Befelilshabern soll ein gewisser Einfluss
auf den Gang der Untersuchung gewahrt bleiben, was nach allen von
Bothe besprochenen Militär-Strafprocess-Ordnungen der Fall ist. Die
Militärgerichte sollen Schöftengerichte sein.
Der schwedische Auditor Grand hat in dem in französischer Sprache
geschriebenen Werke: „Fonctionnemeut de la justice militaire dans les
differents etats de l’Europe* (1884) eine Zusammenstellung der in den
Staaten Europas bestehenden Militär-Strafprocess-Ordnungen geliefert.
Während die Werke Hilses und Bothes wegen der genauen histo-
rischen Forschungen und tiefsinnigen Erörterungen von bleibendem
Werte sind, ist das Werk Grands durch die Reichhaltigkeit des ge-
botenen Materials für die Reformfrage des Militär-Strafprocesses von
Bedeutung.
Von Werken rechtsvergleichenden Inhaltes ist ferner hervorzuheben:
„Studien über das Militär-Strafrecht* von Martin Damianitsch, 1862.
Dieses huchinteressante Werk handelt sowohl von dem materiellen
Strafrecht als von dein Strafprocess. Die Strafbestimmuugen der Gesetze