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das ganze Dorl, Sterbesakramente unter Singen und
Beien, Einführung von Festiagen, Gewehrsalven während
der Hochümter, regelmässiger läglicher Gottesdienst,
auch in der Abwesenheit des Gutsherrn, dann die Er-
richtung einer katholischen Schule, in welche die Unter-
„hanenkinder aus protestantischen Ehen hineingezwungen
wurden. Die Proteslanten wurden dagegen gekränkt und
beeimrächugt, wo man nur konnte. man nahm theil-
weise ihre Kirchengesälle, verbot dem proteslantischen
Plarrer und Schullehrer, die Unterscheidungslehren der
rolestantischen und katholischen Kirche zu berühren,
von der Augsburgischen Confession und den symboli-
schen Büchern zu sprechen, man sperrie die Schloss-
thore, So ofl der proteslantische Plarrer die Morgenbet-
stunden hallen wollte, man zerriss die lutherische Bibel
und den Katechismus in der Kirche, nahm das Morgen-
segenbuch vom Altar und legie dafür ein scheussliches
Pasquill hin, beschmierte die Kirchthüren mit Koth,
störte den Gottesdienst, verbot den Prolestanten, an
den vielen Festlagen der Katholiken zu arbeiten und
stralte sie desshalb, während die Katholiken absicht-
lich sogar am Charfreilag in Dorf und Feld arbeitelen,
man sang vor offenem Schlossthor mil brennenden
Kerzen Schmählieder auf die protestantische Kirche,
man baute Häuser zur Aufnahme hergelaulener Katholiken,
während die Proleslanten, wenn sie nicht katholisch wer-
den wollien und sich den Ueberredungen') der Mönche
nicht fügten, durch allerlei Vexalionen, willkührliche
Stralen und Gewalt von Haus und Hof getrieben wur-
Die protestantischen Schulkinder in der katholischen Schule
lebrie man, dass alle Prolestanten des Teufels seien.
den. Ein Fall aber, der im ganzen deutschen Reich
Aufsehen erregie, ist folgender: im Jahre 1728 lauerte
Chrislian Ernst auf offener Landstrasse mit Bewaflneten
auf seine Schwägerin, dic Witlwe von Carl Christoph
von Aufsess und riss das neunjährige Kind aus den
Armen der Multer, um es katholisch zu machen. Der
Knabe Christoph Friedrich musste in der Domkirche
zu Bamberg als Domherr (II1) feierlich schwören,
gieng aber in spälecren Jahren davon und blieb Prole-
stant. Der Kaiser erliess gegen diese Thal einc Strafe,
allein die katholische Partei vereitelle die Vollzichung,
auch die Reichsslünde nahmen sich der trostlosen Mul-
ter an und doch musste das Kind Domherr werden.
So scheute Christian Ernst das schlechteste Mitlel nicht,
für den Katholizismus zu wirken. Dabei kamen auch
komische Scenen vor. Die Katholiken erlaubien sich
nümlich, Kinder, die zur Taufe in prolestantische Kirchen
gebracht werden sollten, hinwegzunehmen. Einmal
glaubten sie einen solchen Fang gemacht zu haben,
aber sie hallen nur eine Puppe in Händen, indess der
Täufling auf Umwegen ungestört nach Heiligenstadt zur
Kirche gelangte. Dass den Protestanten dadurch end-
lich ein Zagen ankam, eine Trübung der Aussichten
auf Besserung, war wohl erklärlich; die Kirche war
baulällig geworden, die Gemeinde musste acht Jahre lang
ihren Collesdienst unter freiem Himmel abholten, so
dass sie sich entschloss, mit den Salzburger Glaubens-
und Leidensgenossen, die dumals durchzogen, eine an-
dere Heimath zu suchen, wo sie sich wieder ein Gol-
lteshaus bauen könnte. Da war ein Aufsess mil rechtem
Muth. klarem Ceist, gulem Herzen, ächter Frömmigkeit
und eisernem Willen, sich und seinen Unterthanen mit
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