8 12. Verfassung des Königlichen Hauses. 91
punkte einen geschlossenen Personenkreis umfaßt, in welchem um jenes
geschichtlichen Ganzen willen eine gewisse Ordnung besteht und gehandhabt wird.
Dieser Kreis ist im Vergleich mit jenem teils enger, teils weiter: er umfaßt auch von Le-
benden nicht alle, die für die Thronfolge in Betracht kommen, und umgekehrt umfaßt er
auch solche Mitglieder, die für die Thronfolge zum Hause nicht zählen würden. Den Kern
der Ordnung, welche dem Haus in diesem jeweiligen Bestande Abgrenzung und Eigenart
gibt, bildet die Hausgewalt. Die Mitgliedschaft im Hause bedeutet Zugehörigkeit zur
Hausgewalt.
Zur Zeit des alten Reichs verband sich damit ein rechtliches Merkmal verneinender Art:
Die sämtlichen Mitglieder des landesherrlichen Hauses teilten mit dem Landesherrn die
Reichsunmittelbarkeit, waren also nicht seine Untertanen. Aber dem Hause
selbst steht Autonomie zu behufs selbständiger Ordnung seiner Angelegenheiten. ) Die
Autonomie wird ausgeübt durch die Agnaten des Hauses im Wege freien Übereinkommens;
so entstehen Hausverträge, die ebensowohl Rechtsgeschäfte wie Satzungen be-
deuten können. Der Landesherr hat als Haupt der Familie die formelle Leitung der Ver-
handlungen; ihm können durch die Hausverträge noch besondere Aufsichtsrechte über die
Mitglieder übertragen sein. Nach Durchführung des Rechtes der Erstgeburt geraten die
Mitglieder des Hauses insofern noch in eine gewisse Abhängigkeit von ihm, als er es ist,
der ihnen ihre Bezüge anweist.:) Im übrigen steht ihm eine Familiengewalt zu eigenem
Rechte nur zu, wie jedem andern selbständigen Mitgliede des Hauses, über seine nächsten
Angehörigen: Gemahlin und Kinder.
Mit der Auflösung des alten Reichs trat in diesen Dingen ein völliger Umschung ein.
Die Mitglieder des landesherrlichen Hauses wurden schlechthin Untertanen des regierenden
Herrn. Zugleich aber brach die Auffassung durch, daß die Mitglieder dieses für das Staats-
wohl so bedeutsamen Hauses um des Staates willen einer besonderen öffentlichrechtlichen
Ordnungs= und Ausfsichtsgewalt unterstehen müßten, die vom Oberhaupte des Staates
über sie zu handhaben wäre. Dies ist die landesherrliche Hausgewalt, die
nun erst sich entfaltet.3)
Die neue Sachlage wird überall zu voller Klarheit gebracht gelegentlich der Einführung
der Verfassungen. Hierbei erhebt sich die Forderung, daß auch diese Gewalt, namentlich
mit Rücksicht auf die dadurch zu bestimmenden Beziehungen der Mitglieder des Hauses
zum Staate und zu Dritten in den Formen des Rechts und des Rechtssatzes ihre Regelung
erhalte; allgemeine Hausgesetze werden überall von dem Fürsten erlassen,
die eine Art Verfassung der fürstlichen Familie vorstellen. Sodann aber fordert der Grund-
satz der souveränen Herrschaft des Gesetzes, daß auch diese Hausgesetze als richtige autono-
mische Satzungen nur innerhalb des Spielraumes ergehen können, den das Staats-
gesetz dafür gelassen hat, und gebunden sind, soweit dieses Gesetz an ihrer Feststellung
teilnimmt.
I. Für Sachsen ist grundlegend geworden das Königliche Hausgesetz vom 30. De-
zember 1837.
Fast gleichzeitig mit der Vorlage des Entwurfs der Verfassung, nämlich mit Dekret
1) Bgl. hierzu: Gierke, Genossenschaftsrecht I S. 316ff.
2) v. Römer, Staats-R. u. Statistik III S. 123.
3) Rehm, Mod. Fürstenrecht S. 84ff.