94 Zweiter Abschnitt: Der König und das Königliche Haus. * m12
kraft, und demgemäß auch jede weitere Anderung dieser Bestimmungen nur geschehen
könnte wieder in Form eines staatlichen Gesetzes.))
Wir nehmen an, daß das nicht der Fall sei. Die äußere Form des Gesetzes ist beobachtet
und an dieser hängt im Zweifel die Unverbrüchlichkeit. Es ist aber gewiß, daß diese Wir-
kung nicht eintritt, wenn aus dem Inhalt des Gesetzes hervorgeht, daß dies nicht sein Wille
sei. Bekanntlich hat auch das verfassungändernde Gesetz seinerseits die besondere Unver-
brüchlichkeit des Verfassungsgesetzes nur, soweit es seinem Inhalte nach das gewollt hat.
Ebenso gibt es einen „unverbindlichen“ Gesetzesinhalt, „instruktionelle“ Gesetzesbestim-
mungen, Gesetze, die im Wege der Verordnung geändert werden dürfen. Hier darf also
keineswegs formalistisch verfahren werden. 10)
Das Hausgesetz von 1837 ist demgemäß staatsgesetzlich gebunden nur, soweit darin die
dem Staate obliegenden Leistungen an die Mitglieder des königlichen Hauses festgestellt
sind. Nur soweit war das Gesetz „nötig“ und nur soweit hat man die Kraft des Gesetzes
zur Wirkung bringen wollen.
Der Nachtrag von 1879 hat seine staatsgesetzliche Kraft erschöpft in der Aufhebung
der älteren Staatsgesetze; was er gibt, ist Hausgesetz, sonst nichts.
Die Wahrung der Formen des Staatsgesetzes für die Anderung von 1888 war offenbar
ganz unnötig; wenn diese Anderung Gesetzeskraft nur haben soll, „soweit nötig“, dann hat
sie keine. Ebenso steht es mit dem Ergänzungsgesetz von 1900.
Danach ist zu sagen: das Hausgesetz ist und bleibt Ausfluß der Hausgewalt des Königs.
Der König kann es jederzeit ändern, ohne die Formen des
Staatsgesetzes zu beobachten. Eine Ausnahme machen nur die Bestim-
mungen über die Gebührnisse der Mitglieder gemäß Verf.-Urk. § 23, Abs. 2. —
Die Frage könnte noch aufgeworfen werden, inwiefern der König bei seinen haus-
gesetzlichen Anordnungen gebunden sein soll an die Zustimmung der Agnaten.
Das entspräche dem Rechtszustande vor Auflösung des alten Reiches. Bei Veröffentlichung
des Hausgesetzes von 1837 wurde noch ausdrücklich die „agnatische Zustimmung“" des ein-
zigen damals in Betracht kommenden Prinzen hervorgehoben. Die späteren Anderungen
enthalten keine solche Bemerkung mehr. Man muf sich klar machen, wie nahe es liegt,
in diesen Dingen mit einer gewissen Courtoisie alte Formen zu beobachten, auch wenn sie
keine Rechtsbedeutung mehr haben. Eine Betonung der Agnatenrechte hat keinen Sinn
mehr, wenn der König mit Zustimmung seines Landtags schließlich doch rechtlich alles
kann.1)
9) Vgl. oben Note 7. — Die Regierung hat nie zugegeben, daß es sich so verhielte. Auch
die Stände haben nicht geradezu sich dafür ausgesprochen; man meinte nur immer, es sei vor-
sichtiger, die Gefahr einer Bestreitung der Gültigkeit auf solche Weise ganz zu beseitigen und alle
Zweifel auszuschließen. Landt.-Akten 1887/88, Ber. d. II. Kammer 1 Nr. 111, S. 4; Mitt.
d. I. Kammer 1899/1900, S. 258.
10) Laband, Staats-R., II, S. 62ff.;: Otto Mayer, Deutsch. Verw.-Recht I
S. 72 ff.; Jellinek, Gesetz u. Verord. S. 338. — Daß die Absicht des Gesetzgebers, die Kraft
der Gesetzesform abzuschwächen, hier klar genug zum Ausdruck gekommen ist, liegt auf der Hand.
Was hätte die Formel „soweit nötig“ sonst für einen Sinn? Im Landtag ist übrigens ausdrücklich
anerkannt worden, man habe diese Fassung gewählt, „welche die beiderseitigen Rechte vollständig
wahrt“" (Mitt. d. I. Kammer 1899/1900, S. 258). Das gewahrte Recht des Königs besteht eben
darin, allein Hausgesetze erlassen zu können.
1I1) In diesem Sinne Seydel, Bayr. Staatsrecht 1 S. 207, 208. — In Landt.-Akten
1899/1900, Ber. der II. Kammer 2, II, Nr. 277 äußert sich die Deputation zu diesem Punkte
folgendermaßen: es sei ganz folgerichtig, daß bei diesen Vorschriften, die in erster Linie den Landes-