Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

98 Zweiter Abschnitt: Der König und das Königliche Haus. 8 12 
  
Grundbuchsachen bleiben unberührt. Die Standesbeamten und die Art der Führung 
der Standesregister bestimmt der König (Reichsges. vom 6. Februar 1875 8 72); ebenso 
die Hinterlegungsstelle für Hinterlegungen familienrechtlicher, erbrechtlicher und anwart- 
schaftsrechtlicher Art. (Erg.-Ges. § 16). Daselbe Gesetz, 5 15, gibt dem König eine verstärkte 
Dispensationsgewalt in Familienanwartschaftssachen (vgl. Sächs. B.G.B. § 2541). 
Vor allem aber .tritt der König an die Stelle des Vormundschaftsgerichts“. (Erg-.Ges. § 12 
Abs. 3). Das Gesetz führt das im einzelnen durch (§ 5 bis §14); die Befugnisse des Königs 
sind stellenweise gegenüber denen des ordentlichen Vormundschaftsgerichts verstärkt. 
Gegenvormund, Familienrat und Gemeindewaisenrat fallen weg, der erstere wenigstens, 
sofern der König nicht anders beschließt (§& 9 und § 10). Volljährigkeitserklärung und Ent- 
mündigung liegen gleichfalls in des Königs Hand (5 1 und & 2). 
— Für die streitige Rechtspflege in Zivilsachern ist der Nachtrag vom 
20. August 1879 maßgebend geblieben. Die Mitglieder des königlichen Hauses haben 
ihren allgemeinen Gerichtsstand bei dem Oberlandesgericht zu Dresden, wie der König 
selbst und mit denselben Ausnahmen (oben §& 10, III Nr. 3; Nachtrag § 1 Abs. 2 und 3). 
Bei Streitigkeiten zwischen Mitgliedern kann der Rechtsweg erst beschritten werden, nachdem 
der vom König dazu beauftragte Justizminister einen Vergleichsversuch angestellt hat 
(Nachtrag § 12 Abs. 3). Ausschluß der Offentlichkeit und Entbindung vom persönlichen 
Erscheinen gilt wie für den König (Nachtrag § 3 Abs. 2, § 5), Parteieide werden durch ein 
beauftragtes Mitglied des Oberlandesgerichts abgenommen (5 7). Ausgeschlossen ist die 
Anwendung des Mahnverfahrens nach Z. P.O. Buch VII (Erg.-Ges. 9 20 Ziff. 2). Im 
Zwangsvollstreckungsverfahren wird vom Präsidenten des Oberlandes- 
gerichts bestimmt, wer die nach Z. P.O. §5 753 dem Gerichtsvollzieher obliegenden Amts- 
handlungen gegen das Mitglied des königlichen Hauses vorzunehmen hat (Nachtrag § 9 
Abs. 3). Schwerere Zwangsmaßregeln bedürfen der vorherigen Anzeige an den König 
oder auch seiner Genehmigung (Nachtrag § 9 Abs. 4). 
Nach Erg.-Ges. 9 20 Ziff. 2 Abs. 2 sind ausgeschlossen die Vorschriften der Z. P. O. Buch VI, 
soweit sie auf Ehesachen und Entmündigungssachen sich beziehen. Die Entmündigungs- 
sachen stehen, wie vorhin erwähnt, dem König selbst zu kraft seiner obervormundschaftlichen 
Gewalt; seine Sache ist es denn auch, die Formen zu wählen, in welchen er vorgeht. Be- 
züglich der Ehestreitigkeiten („Eheirrungen") wird gemäß Nachtrag § 12 Abs. 2 
der König jedesmal ein besonderes Gericht niedersetzen und das Verfahren vor demselben 
bestimmen. 
— In Strafsachen stehen die Mitglieder des königlichen Hauses unter der Gerichts- 
barkeit des Königs selbst (Nachtrag s§ 11). Will aber der König gegen ein Mitglied ein- 
schreiten, so muß er zunächst ein vorbereitendes Verfahren veranlassen, das bei dem Ober- 
landesgericht geführt wird. 
Es besteht in einer Voruntersuchung („Erörterung") durch einen vom Präsidenten be- 
auftragten Richter, wobei die Anwendung der nach der Stf. Pr. O. gegen den Angeklagten 
zu verhängenden Zwangsmaßregeln der besonderen Genehmigung des Königs bedarf 
(Nachtrag § 11 Abs. 3). Nach Abschluß der Erörterungen kann der Angeklagte eine Ver- 
teidigungsschrift vorlegen, und das Plenum des Oberlandesgerichts beschließt alsdann auf 
Grund der Akten einen Urteilsentwurf mit Gründen (Nachtrag § 11 Abs. 4). 
Für den König hat dieses Urteil nur die Bedeutung eines Gutachtens, auf Grund dessen
	        
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