110 Zweiter Abschnitt: Der König und das Königliche Haus. 8 14.
Die Regierungsverwesung, aus welchem Grunde sie auch stattfinde, ist von dem Re-
gierungsverweser im Gesetz= und Verordnungsblatt bekannt zu machen.:)
Bei Übernahme der Regierung soll der Regierungsverweser das Verfassungsgelöbnis
ablegen, in der gleichen Weise wie der König selbst dies zu tun hätte.14)
III. Der Regierungsverweser üUbt die Staatsgewalt an Stelle des
Königs aus und in dessen Namen. Sie steht ihm grundsätzlich im vollen
Umfange zu (Verf.-Urk. 3 12).15)
Einer Beschränkung unterliegt er insofern, als ihm ein Regentschaftsrat zur
Seite steht, dessen Gutachten er in allen wichtigen Angelegenheiten einzuholen verpflichtet
ist. Der Regentschaftsrat wird gebildet vom Gesamtministerium. Die Erfüllung dieser
Form ist keine Bedingung der Gültigkeit seiner Regierungsakte.15)
Auch verfassungändernde Gesetze kann der Regierungsverweser erlassen.
Aber dieses nur auf ständische Initiative; er kann nicht selbst durch Vorlage eines dahin
zielenden Gesetzentwurfes die Gesetzgebung in Bewegung setzen. Auch ist vor Erlassung
eines solchen Gesetzes der Familienrat des königlichen Hauses in derselben Zusammen-
setzung, wie er nach Verf.-Urk. § 11 bei Einsetzung einer Regentschaft gebildet wird, zu
berufen, und nur wenn er mit absoluter Mehrheit seine Zustimmung beschließt, darf das
Gesetz ergehen (Verf.-Urk. § 12 Abs. 2).17)
Dem Regierungsverweser steht die Hausgewalt zu über die Mitglieder des
königlichen Hauses, wie sie dem König zustände (Hausges. § 63). Besonderes gilt nur bezüg-
lich der Erziehung des minderjährigen Königs selbst, wobei Zuständigkeiten der Mutter
oder väterlichen Großmutter in Betracht kommen, wie auch eine beschließende Mitwirkung
des Regentschaftsrates. Darüber ist oben § 10, III Nr. 2 das Nötige bereits gesagt
worden; ebenso über die für den regierungsunfähigen König zu führende Vermögens-
verwaltung.
IV. Der Regierungsverweser soll wie der regierende König „seinen wesentlichen
Aufenthalt im Lande nehmen“ (Verf.-Urk. § 13). Die Vorschrift, daß der König
ohne Zustimmung der Stände nicht Oberhaupt eines anderen Staates werden darf (Verf.=
Urk. 8 5), ist auf den Regierungsverweser nicht ausgedehnt; im Gegenteil wird dieser, falls
er „ein auswärtiger Regent ist“, von der Residenzpflicht im Lande ausdrücklich entbunden.
3 13) Verf.-Urk. & 9 Abs. 3 sagt: „wird gesetzlich bekannt gemacht“. Das ist wohl nur ein un-
geschickter Ausdruck für: „wie ein Gesetz“.
14) Verf.-Urk. & 138, Abs. 2. Ein großer Teil unserer Schriftsteller möchte einen Unterschied
zwischen dem König und dem Regenten aufstellen, insofern für den letzteren das Verfassungs-
gelöbnis eine Bedingung wäre, unter der allein er die Regentschaft behalten und ausüben
kann: Hancke, Regentschaft u. Stellvertretung S. 37; für Bayern: Seydel, Bayr.
Staats-R. 1 S. 240; für Preußen: v. Rönne-Zorn, Staats-R. 1 S. 238; a. M. Born-
hak, Pr. Staats-R. I S. 206 ff. Daß das Gelöbnis nach dem Willen der Verfassung hier und
dort eine so grundverschiedene Bedeutung haben solle, ist aus dem Sächsischen Texte sicher nicht zu
entnehmen. Die Preuß. Verf.-Urk., Art. 58 Abs. 2, gibt noch eher einen Anhaltspunkt.
15) Insbesondere ist darin auch die sog. Ehrenhoheit begriffen, vgl. oben §& 10, II Nr. 1; die
Württemb. Verf.-Urk. & 15 ist darin karger.
16) Verf.-Urk. §14; vgl. Bayr. Verf.-Urk. Tit. II, 9 19. Seydel, Bayr. Staats-R. 1
S. 253. Die Gegenzeichnung eines Ministers wäre auch dem König notwendig; aber die Anhörung
des Gesamtministeriums bedeutet doch eine Formvorschrift, die nicht so ganz gleichgültig ist, wie
Seydel meint.
17) Der Schlußsatz in Verf.-Urk. §J 12: „Dergleichen Veränderungen erhalten aber sodann
bleibende Gültigkeit“ versteht sich eigentlich von selbst. Man wollte dadurch nur — überflüssiger-
weise — den Gegensatz zur Württemb. Verf.-Urk. betonen, welche in & 15 solche Verfassungsände-
rungen nur gelten läßt für die Dauer der Regentschaft.