Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

8 14. Die Regierungsverwesung. 111 
  
Der Regierungsverweser ist Untertan. Die Ehrenrechte des Königs stehen ihm 
nicht zu, obschon er die wohl auch dazu gerechnete Ehrenhoheit ausüben darf; vgl. oben 
Note 15. Seine Person ist nicht „heilig und unverletzlich"“. Die Bestimmungen des 
Stf.G.B. §8 96, 97, 100 und 101 sichern ihm einen erhöhten Strafschutz gegen Be- 
leidigungen. Als Mitglied des königlichen Hauses untersteht er nach Hausges. § 76 Ziff. 2 
und Nachtrag v. 20. August 1879, 5– 11 der Gerichtsbarkeit des Königs, die er als Regierungs- 
verweser selbst auszuüben hätte; woraus sich ergibt, daß während der Dauer der Regierungs- 
verwesung eine Strafverfolgung gegen ihn nicht möglich ist. 
Für Regierungshandlungen unterliegt er aber überhaupt keiner Verant- 
wortlichkeit, weder zivilrechtlich, noch strafrechtlich, und auch nach Beendigung der 
Regierungsverwesung kann eine solche nicht geltend gemacht werden. Denn er übt die 
Staatsgewalt unter dem Namen des Königs „verfassungsmäßig“ aus (Verf.-Urk. 8 12). 
Das bedeutet insbesondere, daß er sie ausübt unter Gegenzeichnung der Minister und 
unter deren Verantwortlichkeit, ohne eine eigene. Sonst wäre er kein voller Ersatz für 
den König.15) 
Die Kronrente gebührt nicht ihm, sondern dem von ihm vertretenen König. 
Verf.-Urk. § 13 Abs. 2 bestimmt, daß sein Aufwand von der Kronrente bestritten wird, 
also der Staatskasse nicht besonders zur Last fallen soll. Damit ist die genauere Regelung 
dem Hausgesetze überlassen, welches in § 64 bestimmt: der Regierungsverweser solle freie 
Wohnung haben im königlichen Residenzschlosse, freien Gebrauch der königlichen Hof- 
haltung (die auf Kosten der Kronrente in Stand und Gang zu halten ist) und „zur Be- 
streitung seines baren Repräsentationsaufwandes“ jährlich 50 000 Taler.19) 
V. Die Regierungsverwesung endigt, sobald ihr Grund wegfällt, d.hk. 
sobald der König regierungsfähig wird (Verf.-Urk. §#9 Abs. 3). Dies geschieht mit Ein- 
tritt der Volljährigkeit, mit der Rückkehr, mit Beseitigung der die eigene Regierung aus- 
schließenden Gebrechen. Ein Verfahren zur Aufhebung der Regierungsverwesung ist im 
allgemeinen nicht vorgeschrieben. Der regierungsfähig gewordene König übernimmt die 
Geschäfte tatsächlich und der Regierungsverweser hat beiseite zu treten. Daß das geschehen, 
ist wieder im Gesetz= und Verordnungsblatt bekannt zu machen (Verf.-Urk. § 9 Abs. 3). 
Nur in dem Falle, wo die Regierungsverwesung eintrat wegen persönlicher Gebrechen 
des Königs, kann dessen Wille nicht so einfach maßgebend sein für die Beseitigung dieser 
Maßregel. Denn diese ist angeordnet entweder durch ein von seinem Vorgänger erlassenes 
Gesetz (Verf.-Urk. § 10) oder durch einen von den Ständen bestätigten Familienrats- 
beschluß (Verf.-Urk. §& 11). Der Regierungsverweser ist verpflichtet, diese Anordnungen 
zu beobachten; der einfache Widerspruch des Königs kann rechtlich nicht genügen, um sie 
umzustoßen 20) Es wird vielmehr zu unterscheiden sein. « 
18) Binding, Strafrecht 1 S. 670. — Die oben hervorgehobenen Regeln genügen, 
um die ganze viel umstrittene Frage der Verantwortlichkeit des Regierungsverwesers zu beant- 
worten. Gerichtsbarkeit und materielles Recht müssen hier geschieden werden. Es gibt in diesem 
Punkte kein sächsisches Sonderrecht. Vgl. G. Meyer-Anschütz, Deutsch. Staats-R. S. 284. 
19) Das Hausgesetz fügt hinzu: „auf Rechnung der Zivilliste des Königs“. Das will also 
sagen, daß die Staatskasse diesen Betrag dem Regierungsverweser unmittelbar auszahlt und ihn 
von der Kronrente in Abzug bringt. — Alle die oben erwähnten Leistungen sind übrigens dem Re- 
gierungsverweser nur zugesichert unter der Bedingung: „wenn er im Lande residiert". 
20) Opitz, Staats-R. 1 S. 149 bemerkt dazu, „es dürften in solchen Fällen, wenn der 
König auf der gegenteiligen Rechtsauffassung bestände, schwere Kollisionen unvermeidlich sein“. 
Unter den angenommenen Voraussetzungen können sich freilich solche ebensowohl ergeben, wenn
	        
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