Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

8 14. Die Regierungsverwesung. 113 
  
verwesung berufen war, nachträglich volljährig wird. Die Frage wird wohl zu bejahen 
sein. Wenn jetzt die Regierungsverwesung zu bestellen wäre, käme der inzwischen Heran- 
gewachsene allein zum Zuge; dadurch daß der andere zunächst statt seiner berufen werden 
mußte, ist für diesen kein wohlerworbenes Recht begründet worden. Wenn die Ver- 
fassung den dem Throne am nächsten stehenden Agnaten mit der Regierungsverwesung 
betraut wissen will, so geschieht es gerade deshalb, weil er der künftige Herrscher ist. Nie- 
mandem liegt so viel wie ihm daran, daß alles in der richtigen Ordnung weiter gehe, und 
der Übergang zur Regierung kraft eignen Rechts bereitet sich dabei in der allergünstigsten 
Weise vor. Das Verhältnis zwischen dem regierungsfähig gewordenen Thronfolger und 
dem eingeschobenen Regierungsverweser, der ihn immer noch ausschlösse, würde der Natur 
der Sache nach leicht beiderseits als ein schwieriges empfunden werden.:2) 
VI. Außer dem Regierungsverweser und dem Regierungsstellvertreter findet sich 
neben dem König auch noch der Mitregent. Die Verf.-Urk. tut dieses Instituts 
keine Erwähnung. Das könnte um so auffallender sein, als gerade zur Zeit, da sie erging, 
eine Mitregentschaft bestand. König Anton hatte unterm 13. September 1830 seinen 
Neffen Friedrich August zum Mitregenten ernannt. Die Verf.-Urk. selbst wurde nachher 
von beiden unterzeichnet. Allein diese Mitregentschaft bedeutete doch in Wirklichkeit 
nichts anderes als eine Form, deren Beobachtung der König für die von ihm vorzuneh- 
menden Regierungsakte sich freiwillig auferlegte, und an die er in keiner Weise rechtlich 
gebunden war. Er konnte jeden Augenblick sich wieder davon lossagen und allein ver- 
sügen. Insbesondere hatte der Prinz Friedrich August keinerlei eigenes Recht auf Mit- 
regierung erworben.3) Deshalb entbehrt der Fall der staatsrechtlichen Wichtigkeit. Eine 
wirkliche Mitregentschaft zu eigenem Recht könnte in Zukunft nur im Wege einer Ver- 
fassungsänderung zustande kommen. Denn sie würde immerhin eine Abweichung bedeuten 
von der Bestimmung in Verf.-Urk. § 4, wonach der König alle Rechte der Staatsgewalt 
in sich vereinigt.24) 
22) Die Frage ist in der Literatur sehr umstritten; vgl. v. Rönne-Zorn, Staate-R. 
d. Preuß. Monarchie 1 S. 241; G. Meyer-Anschütz, Deutsch. Staats-R. S. 285 Note 44. 
Die Gründe, welche Gerber, Grundzüge des Staats-R. § 34 Note 9, dafür anführt, daß 
der erste Regent verbleibe, scheinen mir nicht genügend. Der „häufige Wechsel“ in der Staats- 
oberhauptschaft ist gewiß nicht wünschenswert; da er aber hier doch stattfindet, wenn der regierungs- 
unsähige König stirbt, ist es wohl zweckmäßiger, ihn möglichst bald zu machen. Der andere Grund, 
daß es genügt, wenn die für den Erwerb eines Rechtes bestehenden Voraussetzungen im Moment 
des Erwerbes vorhanden sind, eine spätere Anderung nichts schadet, würde nur dann zutreffen, 
wenn es sich ernstlich um ein erworbenes Recht an der Regentschaft handeln könnte. Nach Ger- 
ber wäre das allerdings der Fall, da er die Regentschaft für „eine Art der Thronfolge“ ansieht 
(a. a. O. Note 4). Aber das ist sicherlich nicht richtig. 
23) Bezeichnend ist die Form, in welcher jene Mitregentschaft begründet wurde. In der 
Gesetzsammlung erschien eine „Bekanntmachung, die Ernennung des Prinzen Friedrich August 
zum Mitregenten des Königreichs betr.“ Danach verkündet der König, daß er „zur Erleichterung 
der Uns obliegenden schweren Regentenpflichten, sowie aus landesväterlicher Fürsorge für Unsere 
Untertanen“ seinen Neffen „zum Mitregenten Unserer Lande erwählt“ habe und daher „alle zu 
Unserer Entschließung zu bringenden Sachen Uns zugleich in Seinem Beisein vorgetragen und 
die darauf beschlossenen Ausfertigungen von ihm mit vollzogen werden sollen". — Rehm, Mod. 
Fürstenrecht S. 439 sieht in der Bestellung zum Mitregenten eine Art der Regierungsstellvertretung. 
Die Mitregentschaft des Prinzen Friedrich August bedeutete eine solche entschieden nicht. 
24) Seydel, Bayr. Staats-R. I1 S. 224. Tatsächlich könnte ein König immer noch 
so verfahren, wie damals König Anton für sich angeordnet hat. Nur ein Recht auf Mitregentschaft 
kann er nicht begründen. Das meint wohl auch Opitz, Staats-R. I1 S. 155, wenn er sagt: 
„Gleichwohl entzieht sich ein solches Berhältnis gänzlich der juristischen Konstruktion“. 
Ttto Mayer, Sachsiiches Staatsrecht.
	        
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