Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

118 Dritter Abschnitt: Der Landtag. 15. 
  
Güter auf einen fremden Erwerber über, so würde dieser den Anspruch auf Sitz und 
Stimme in der ersten Kammer nicht miterwerben. Die Stelle fiele weg. 11) Anders 
bei den zwei Oberlausitzer Standesherrschaften Königsbrück und Reibersdorf. Hier handelt 
es sich überhaupt nicht um standesherrliche Familien im richtigen Sinn. Die Mitglied- 
schaft in der ersten Kammer hängt lediglich am Besitz der Güter, nicht zugleich an der Fa- 
milienzugehörigkeit. So war es mit der Standschaft in der Oberlausitz bezüglich dieser 
Güter gehalten worden, und dabei ist es verblieben auch für ihre durch die Verf.-Urk. er- 
weiterte Bedeutung. Jeder Besitzer ist also berufen, sofern er nur die allgemeinen per- 
sönlichen Fähigkeiten aufweist. Insbesondere ist irgendein Adelsprädikat nicht ver- 
langt.12) 
III. Der Schwerpunkt der ersten Kammer liegt merkwürdigerweise in den Ritter- 
gutsbesitzern.2) Sie bilden mit den ihnen sozial mehr oder weniger gleichwertigen 
Herrschaftsbesitzern die Mehrheit. Sie überwogen an Zahl auch in den alten Ständen. 
Aber dort glich sich das dadurch aus, daß sie doch nur eine Klasse bildeten neben den weniger 
zahlreich besetzten beiden anderen, die jede gleich viel galten. Durch die Vereinigung in 
eine Versammlung ist ihre Vorherrschaft gesichert. Die nachträgliche Zulassung von „an- 
deren größeren ländlichen Gütern“ (Ges. v. 3. Dezember 1868) hat daran nichts wesent- 
liches geändert. 
Die 22 Rittergutsbesitzer der ersten Kammer erscheinen auf zweierlei Rechtstitel: Wahl 
oder Ernennung. Also zunächst: 
— „zwölf auf Lebenszeit gewählte Abgeordnete der Be- 
sitzer von Rittergütern und anderen größeren ländlichen 
Gütern“ (Verf.-Urk. § 63 Ziff. 13). 
Insoweit ist also auch die erste Kammer eine Wahlkammer. Über diese Wahlen 
bestimmte ursprünglich Verf.-Urk. §J 65. Durch Gesetz v. 3. Dezember 1868 wurde ein 
anderer Text an die Stelle gesetzt, der zugleich auf die näheren Bestimmungen des Wahl- 
gesetzes vom gleichen Tage verwies. Dieses Wahlgesetz handelt von den Wahlen zum 
Landtag überhaupt, also namentlich auch zur zweiten Kammer; durch Ges. v. 27. März 
1896 sind Anderungen erfolgt, welche auch für die erste Kammer bedeutsam sind. Die 
gemeinsam gültigen Bestimmungen sollen jedoch im Zusammenhang der Lehre von den 
Wahlen zur zweiten Kammer vorgetragen werden (unten §& 16). Hier ist nur das besondere 
Recht der Wahlen zur ersten Kammer hervorzuheben. 
Die Wahlen werden nicht nach der bestehenden politischen Landesein- 
teilung (Regierungsbezirke oder Kreishauptmannschaften) vorgenommen, sondern 
nach den alten erbländischen Kreisen mit Zuziehung der Oberlausitz 
(ogl. unten § 33, II Nr. 3). Die Verteilung der Abgeordneten ist geschehen nach Ver- 
hältnis der in jedem Kreise vorhandenen Rittergüter, so daß zu wählen sind im Meißner 
Kreise und in der Oberlausitz je drei, im Leipziger, Erzgebirgischen und Vogtländischen 
Kreise je zwei Abgeordnete (Wahlges. 1868 F 10). 
Wahlberechtigt ist, — die Erfüllung der allgemeinen Bedingungen voraus- 
11) Opitz, Staatsrecht, II, S. 31. 
12 Es sind einfach bessere Rittergüter: Weiße, Staatsrecht 1 S. 104, 108. Vgl. oben 
8 Note 3. 
13) Über diesen Begriff vgl. oben §& 8, II.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.