124 Dritter Abschnitt: Der Landtag. 8 16.
ganz von selbst die Wahl der Abgeordneten nach ständischer Gliederung des
Volkes. Die beiden Entwürfe, von Lindenau wie von Carlowitz, sehen übereinstimmend
vor: 15 Abgeordnete der Rittergutsbesitzer, 25 Abgeordnete der Städte und 20 Abge-
ordnete des Bauernstandes. Also 60 Abgeordnete im ganzen. Der aus den Beratungen
des Geheimen Rates hervorgegangene, den Ständen vorgelegte Regierungsentwurf
(5 65) beantragte: 15 Rittergutsbesitzer, 25 Städter, 25 Bauern; also 65 im ganzen.2)
Bei den Beratungen der Stände über diesen Entwurf fanden nun die Ritterguts
besitzer, daß „das Verhältnis für sie ungleich sei“. Es gelang ihnen, offenbar auf Grund
eines mit den Städten abgeschlossenen Geschäftes, den Beschluß durchzusetzen, daß die
Zahl ihrer Abgeordneten auf 20 zu erhöhen sei; dafür wurde zugunsten der Städter vor-
geschlagen: „die zweite Kammer annoch mit 5 Mitgliedern, Repräsentanten der
Handels-, Fabrik= und Manufaktur-Interessen zu vermehren“.2)
So kam der & 68 der Verfassungs-Urkunde zustande, der bestimmt, daß die zweite
Kammer aus 75 Abgeordneten bestehen soll, 20 der Rittergutsbesitzer, 25 der Städte,
25 „des Bauernstandes“ und 5 „Vertretern des Handels= und Fabrikwesens“.
Die Verfassung hatte des näheren auf ein zu erlassendes Wahlgesetz verwiesen,
welches unterm 24. September 1831 erging „unter Zustimmung unserer getreuen Stände“
— d. h. der alten Ständeversammlung.3)
Danach wählen die Rittergutsbesitzer ihre Abgeordneten unmittelbar; die
Ritterschaft jedes der vier alten Kreise, wie auch der Oberlausitz wählt in derselben Weise
wie zu der ersten Kammer (vgl. oben N& 15, III) die ihr zugeteilte Anzahl von Mitgliedern
auch zu der zweiten. Bei den Städten und dem Bauernstand geschieht die
Wahl dadurch, daß die Stimmberechtigten „zuerst eine bestimmte Anzahl von Individuen
(Wahlmänner) benennen“, also indirekt. Wahlbezirke bilden die Städte Dresden und
Leipzig für je 2 Abgeordnete, Chemnitz für einen. Die übrigen Städte wurden durch
Verordnung v. 20. Februar 1832 zu 20 Wahlbezirken für je einen Abgeordneten zusammen-
gelegt. Die gleiche Verordnung bestimmte dann die 25 Wahlbezirke für den Bauernstand.
Überall ist das Wahlrecht bedingt durch Ansässigkeit mit einem Wohnhaus, zurückgelegtes
25. Lebensjahr, christliches Bekenntnis. Die Wählbarkeit setzt außerdem voraus, daß der
Besitz des Grundstücks, auf dem die Ansässigkeit beruht, mindestens 3 Jahre gedauert habe,
und ein Lebensalter von 30 Jahren. Für die Abgeordneten der Städte und der Bauern-
schaft besteht ein verschieden bemessener Zensus.
Wegen der fünf Vertreter des Handels= und Fabrikwesens, die erst
auf Vorschlag der Stände hinzugekommen waren, bestimmte das Wahlgesetz noch nichts.
Der König hatte mit Dekret vom 10. August 1831 darauf aufmerksam gemacht, daß die
Durchführung dieses Punktes noch weitere Erörterungen nötig mache, und sich vorbehalten,
1) v. Witzleben, Entstehung S. 344 360, 382.
2) So die Ständische Schrift vom 19. Juli 1831: Landt.-Akten 1831 Bd. 4, S. 1787, 1788.
3) Es nennt sich: „Ges. die Wahl der Abgeordneten zu den künftig zu haltenden Ständever-
sammlungen betr.“ Es war mit den alten Ständen in der nämlichen Weise vereinbart worden
wie die Verfassung selbst. Die Ständische Schrift vom 19. Juli 1831, „den Verfassungs-Entwurf
betreffend“, hatte eine Beilage A, wegen der Zivilliste und eine Beilage B.: „Ständische Be-
merkungen zu dem Wahlgesetz“ (Landt.-Akten 1831 Bd. 4 S. 1883 ff.). Der Landtagsabschied
vom 4. Sept. verspricht, „die Verfassungsurkunde als Gesetz zu publizieren“ und „gleichergestalt"“
das Wahlgesetz, wie es „die Zustimmung der getreuen Landschaft gefunden hat“ ins Land ergehen
zu lassen (Landt.-Akten 1831 Bd. 4 S. 2377). Gleichwohl gilt das Wahlgesetz als gewöhnliches
Gesetz nicht als Verfassungsgesetz.