Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

144 Dritter Abschnitt: Der Landtag. 8 18. 
  
Die Sitzungen sind öffentlich. In den Sitzungssälen sind Zuhörerbühnen ein— 
gerichtet, zu welchen Nichtmitglieder Zutritt haben. Die Verhandlungen werden steno- 
graphisch aufgenommen und durch den Druck veröffentlicht. Ausnahmsweise findet 
gehe um e Sitzung statt. Das geschieht auf Verlangen der Staatsregierung, welche 
Eröffnungen zu machen hat und dafür die Geheimhaltung für nötig hält, oder auf Antrag 
von drei Mitgliedern, auf den sich die Stimmen von mindestens einem Viertel der an- 
wesenden Kammermitglieder vereinigen, nachdem in geheimer Sitzung darüber beraten 
wurde. Dann sind Zuhörer ausgeschlossen, die Mitglieder der Versammlung zum Schwei- 
gen über das Verhandelte verpflichtet und Veröffentlichungen finden nicht statt. Ein 
nachträglicher Veröffentlichungsbeschluß bedarf, soweit die Eröffnungen und Vorlagen 
der Staatsregierung in Frage sind, deren Zustimmung. 
Beratungs= und beschlußfähig ist jede Kammer nur bei Anwesenheit der 
Hälfte der verfassungsmäßigen Zahl. Persönlich Beteiligte zählen und stimmen nicht mit. 
Ebenso werden bei Berechnung der nötigen Hälfte die Mitglieder nicht mitgezählt, welche 
die Abstimmung verweigern; desgleichen in der ersten Kammer die abwesenden königlichen 
Prinzen und die etwa unbesetzten Stellen des Oberhofpredigers und des Superintendenten 
zu Leipzig (Verf.-Urk. s 63 Ziff. 8 und 10). 
Der Präsident bestimmt die Sitzungen und ihre Tagesordnung. 
Die Kundgabe erfolgt spätestens Tags zuvor durch Anschlag im Sitzungsgebäude, Zu- 
sendung gedruckter Anzeigen an die ortsanwesenden Mitglieder oder mündliche Ankündi- 
gung am Schlusse der vorhergehenden Sitzung. Jede Form genügt, aber üblicherweise 
bedient man sich gleichzeitig einer jeden. Die Ankündigung in der Sitzung gibt Gelegen- 
heit zu Gegenanträgen aus der Versammlung, über welche diese entscheidet. 
Der Präsident leitet die Verhandlungen in der Sitzung. Er ruft die 
Gegenstände der Tagesordnung in der gegebenen Reihenfolge auf, erteilt zunächst einem 
etwaigen Berichterstatter der Deputation das Wort und eröffnet dann die allgemeine 
Besprechung. Niemand darf sprechen, ohne daß ihm der Präsident das Wort erteilt hätte, 
der seinerseits dabei nach der Reihenfolge der Meldung zum Wort sich richtet. Hat sich 
kein Redner mehr gemeldet, so schließt der Präsident die Besprechung. Schon vorher 
kann die Versammlung auf Antrag eines Mitgliedes, das seinerseits zur Sache noch nicht 
gesprochen hat, den „Schluß der Debatte“ verfügen. 
Der Präsident handhabt die Sitzungspolizei. Störungen durch Dritte, ins- 
besondere durch Besucher der Zuhörergalerien, hat er zu rügen und nötigenfalls durch das 
Dienstpersonal beseitigen zu lassen (Räumung der Tribünen). Den Mitgliedern der 
Kammer gegenüber übt er die parlamentarische Disziplin. Zu dem Zwecke 
hat er das Recht zur Ordnung zu rufen und das Wort zu entziehen. Gegen diese Maß- 
regeln kann binnen 24 Stunden auf Entscheidung der Kammer angetragen werden (Landt.= 
Ord. &# 27 Abs. 3 und 4). 
Die Beschlußfassung geschieht auf Grund der von dem Präsidenten formu- 
lierten Fragestellung. Regelmäßig entscheidet absolute Mehrheit.15) Bei Stimmen- 
15) Ausnahme bei Verfassungsänderung (Verf.-Urk. §& 152) und unter gewissen Voraus- 
setzungen bei Beschluß über Regierungsvorlagen in Gesetzgebungs= und Staatshaushaltssachen 
(Verf.-Urk. &J 92, § 103). Vgl. unten § 21 Note 10 und § 24 Note 15. Die Verf.-Urk. +129 hatte 
noch hervorheben zu sollen geglaubt, daß die Abstimmungen geschehen „ohne Rücksicht auf die 
Verschiedenheit der Stände“, daneben aber in der zweiten Kammer unter Umständen eine Art
	        
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