Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

148 Dritter Abschnitt: Der Landtag. 5 18. 
  
Der schriftliche Verkehr dagegen läßt die Person des Königs mehr hervortreten. 
Die Vorlagen und Bescheide, welche von seiten der Regierung an die Stände ergehen, 
erhalten die Form von Königlichen Dekreten, in welchen der König spricht 
oder in seinem unmittelbaren Auftrag gesprochen wird. Umgekehrt erhalten die Anträge 
und Erklärungen der Kammer die Form von Ständischen Schriften die an den 
König gebracht werden sollen. Sie reden diesen an, werden aber beim Ministerium ein- 
gereicht. Ordentlicherweise enthalten diese Ständischen Schriften einen Landtagsbeschluß 
und werden demgemäß von den Präsidenten beider Kammern gemeinschaftlich unter- 
zeichnet. In gewissen Fällen kann auch eine Kammer allein sich mit einer solchen 
Schrift an den König wenden (Landt.-Ord. § 32 Abs. 1).20) — 
Neben diesen wichtigeren Dingen läuft ein formloser Verkehr, schriftlich oder mündlich, 
der Präsidien und der Deputationsvorstände mit dem Ministerium für allerlei Außerlich- 
keiten des Geschäftsganges (Landt.-Ord. § 28 Abs. 1). 
Dagegen ist es Grundsatz, daß die Stände mit anderen Behörden als mit dem Gesamt- 
ministerium einen Verkehr nicht pflegen dürfen; wollen sie hier Auskünfte erheben oder 
Anregungen geben, so kann das nur durch das Ministerium geschehen (Verf.-Urk. § 133, 
vgl. unten § 29 N. 3). 
5. Der allgemeine Brauch der Verfassungsstagten hat gewisse besondere Ver- 
fahrensarten herausgebildet, in welchen im Verkehr der Stände mit der Regie- 
rung oder mit den Einzelnen allerlei Anliegen zur Erledigung zu bringen sind. Man be- 
zeichnet sie mit den Namen besonderer Rechte: Interpellationsrecht, Beschwerderecht, 
Petitionsrecht. Sie sind in Sachsen folgendermaßen gestaltet: 
— Das Interpellationsrecht ist geregelt durch Landt.-Ord. 8 31. Jedes 
Kammermitglied hat das Recht, in der Sitzung eine Anfrage an die Staatsregierung zu 
stellen. Diese Anfrage muß vorher schriftlich beim Präsidenten eingereicht werden, der 
sie dem betreffenden Minister ebenso mitteilt. Die Staatsregierung soll dann nach Ver- 
lesung der Interpellation in der Kammer erklären „ob und wann sie letztere beantworten 
will“. An die Antwort, wie an die Versagung der Antwort kann sich dann eine Besprechung 
des Gegenstandes anschließen. Inwiefern hierbei ein Recht zur Erscheinung kommt, ist 
allerdings schwer zu sehen. 
— Das Petitions= und Beschwerderecht der Stände (Verf.-Urk. 
§l 109, 5 110) ermächtigt diese, in allen Staatsangelegenheiten sich unmittelbar an den König 
zu wenden, um ihre „Wünsche und Anträge“ vorzubringen.7) 
eben durch die persönliche Überreichung des Schriftstückes auch ihre besondere äußerliche Feierlich- 
keit erhalten soll. Daß damit kein Mißbrauch getrieben werden kann, ist genügend sichergestellt 
durch die Notwendigkeit „vorheriger durch das Gesamtministerium zu vermittelnder Genehmigung“. 
Wenn man hier üblicherweise von einem „Adreßrecht“ der Stände spricht, so ist das nur mönhhch 
bei einer sehr milden Auffassung von dem Begriff Recht. 
20) Es sind das die in der vorigen Note erwähnten drei Fälle. Der Unterschied besteht dabei, 
daß es zum Wesen der Adresse gehört, daß die abgeordnete Deputation die ständische Schrift zu- 
gleich überreicht. In den beiden anderen Fällen können die Vorlegung der Schrift und die Audienz 
der Deputation zeitlich auseinander fallen, es kann auch auf die Erwirkung einer Audienz überhaupt 
nerettte werden; der Name und die Bedeutung des Aktes hängt hier nicht an der Wahrung dieser 
eierlichkeit. 
21) Der Wortlaut des § 109 Abs. 1 ist aus der Bayr. Verf.-Urk. Tit. VII §+ 19 übernommen. 
Der Ausdruck „in bezug auf alle zu ihrem Wirkungskreise gehörigen Gegenstände“ wird dort in so 
umfassender Weise ausgelegt: Seydel, Bayr. Staats-R. I S. 356ff. Das wird auch für das 
Sächsische Recht zulässig sein.
	        
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