Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

m19. Rechte und Pflichten der Kammermitglieder. 153 
  
Zur Verstärkung dieser sittlichen Pflicht fügt die Verfassung, wie beim König, die 
Rechtspflicht eines förmlichen Gelöbnisses hinzu. Jedes neue Kammermitglied leistet, 
wenn es zum erstenmal teilnehmen soll, den Eid: „Ich schwöre, die Staatsverfassung 
treu zu bewahren und in der Ständeversammlung das unzertrennliche Wohl des Königs 
und Vaterlands, nach meinem besten Wissen und Gewissen, bei meinen Anträgen und 
Abstimmungen allenthalben zu beobachten“ (Verf.-Urk. & 82). Der Eid wird geleistet 
sofort nach Konstituierung der Kammer in die Hände des Präsidenten, der Präsident selbst 
leistet ihn in die Hände des Königs. Solche, die schon einmal Mitglieder der Kammer 
gewesen waren und auf Grund einer Neuwahl wiederkehren, werden durch einfachen Hand- 
schlag verpflichtet unter Hinweis auf den früher geleisteten Eid. 
Besondere Pflichten werden den Kammermitgliedern dann weiter noch auferlegt zum 
Zwecke einer Sicherung des geordneten Ganges der Verhand- 
lungen: 
1. Pflicht zu rechtzeitiger Anmeldung bei der Einweisungskommission und zur An- 
wesenheit bei den Sitzungen. Urlaub erteilt auf gehörig begründetes Gesuch der Präsi- 
dent. Fernbleiben ohne genügende Entschuldigung und trotz persönlicher Aufforderung 
kann zur Folge haben, daß die Kammer zeitweiligen Ausschluß verfügt (Landt.-Ord. 8 2, 
7*5.5 
2. Pflicht zur Mitwirkung an den Abstimmungen; nur wer an der Sache persön- 
lich beteiligt ist, hat sich der Stimme zu enthalten (Landt.-Ord. &J 17). Geschäftsordnungs- 
mäßig wird auch die — moralischerweise selbstverständliche — Pflicht zur Annahme der 
Wahl in Deputationen noch förmlich betont (Gesch.-Ord. d. I. K. § 13 Abs. 6). Rechts- 
nachteile sind mit der Nichterfüllung dieser Pflichten nicht verbunden. 
3. Pflicht zur Verschwiegenheit über die in geheimer Sitzung verhandelten 
Dinge (Landt.-Ord. F 12). 
4. Geziemendes Verhalten in der Sitzung, namentlich auch in der Art 
der Meinungsäußerung, sichert die vom Präsidenten gehandhabte parlamentarische 
Disziplin (vgl. oben § 18 II Nr. 3). Verf.-Urk. & 83 hatte das zu Vermeidende aus- 
führlich hervorgehoben; die Landt.-Ord., bei deren Einführung dieser §8 83 beseitigt wurde, 
schreibt noch besonders vor (§ 14): 
— die Personen des Reichs= und des Staatsoberhauptes nicht in die Verhandlungen 
zu ziehen; 
— in bezug auf die Königliche Familie, den Bundesrat, den Reichstag, die Kammern 
und deren Mitglieder und öffentliche Beamte, sowie auswärtige Regenten und Regie- 
rungen die deren Stellung gebührende Rücksicht zu beobachten; 
— bei Beschuldigungen öffentlicher Beamten auf Verlangen der Regierung die Tat- 
sachen und die Namen anzugeben. 
5. Während des Landtages darf der freiwillige Austritt aus der Kammer nur mit 
3) Nur den königlichen Prinzen in der ersten Kammer ist es staatsrechtlich freigestellt, ob 
sie erscheinen wollen oder nicht (Landt.-Ord. §# 2 Abs. 4). Hier steht aber eine um so stärkere 
Abhängigkeit dahinter, um ihr Erscheinen zu sichern, wenn das Staatswohl es erheischt: die von 
der Hausgewalt des Königs. — Ein wirksames Zwangsmittel zu pünktlicher Anwesenheit bildet 
für die große Mehrheit der Kammermitglieder die Gewährung und dem entsprechend die Mög- 
lichkeit der Versagung von Tagegeldern.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.