Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

154 Dritter Abschnitt: Der Landtag. 8 19. 
  
deren Genehmigung geschehen. Ohne diese Genehmigung bleibt der Austretende Mit- 
glied.") 
II. Das Gesetz sichert den Kammermitgliedern gewisse Befreiungen vom 
gemeinen Recht, um die Ausübung ihres Berufs zu erleichtern. Hierher gehören 
die reichsrechtlichen Befreiungen von Justizlasten: Schöffen= und Geschworenendienst 
kann abgelehnt werden (G.V.G. 5 35 Ziff. 1, 5 85), Vernehmung als Zeuge oder Sach- 
verständiger außerhalb des Sitzes des Landtages ist während dessen Dauer nur zulässig 
mit Zustimmung der Kammer (38.P.O. § 382, 5+ 402; Stf.P.O. & 49, # 72). E.G. 
z. Stf. P. O. § 6 Ziff. 1 hält die landesgesetzlichen Bestimmungen aufrecht, welche die 
Strafverfolgung eines Kammermitgliedes während der Dauer einer Sitzungsperiode 
beschränken. Das findet Anwendung auf Verf.-Urk. J84, wonach während der Dauer 
des Landtages Verhaftung eines Kammermitgliedes nur zulässig ist mit besonderer 
Genehmigung der Kammer. Ausgenommen ist der Fall der Ergreifung auf frischer 
Tat bei einem begangenen „peinlichen Verbrechen“. Darunter wird jetzt schlechthin 
ein Verbrechen im Sinne des Stf.G.B. zu verstehen sein. Auf eine vor Versamm- 
lung des Landtages bereits begonnene Haft bezieht sich die Verfolgungsbeschränkung 
nicht. 5) 
Die eigentliche „IImmaunität“ der Volksvertretung, die Freiheit von jeglicher 
Verantwortlichmachung für die Ausübung des Berufes, anders als durch die parlamen- 
tarische Disziplin, ist durch Stf. G. B. &11 gesichert. Die Verf.-Urk. hatte in dieser Hinsicht 
sehr ungenügende Bestimmungen getroffen. Ihr § 83 erklärte in Abs. 1: „Jedes Mit- 
glied kann in der Kammer seine Meinung frei äußern“ und fügte in Abs. 3 hinzu, daß die 
parlamentarische Disziplinierung die Verfolgung vor dem ordentlichen Richter nicht aus- 
schließt, wodurch jene Freiheit allen besonderen Wert verlor. 
III. Die Verf.-Urk. § 120 verheißt den Kammermitgliedern Tage= und Reise- 
gelder „als Entschädigung für den erforderlichen außerordentlichen Aufwand“. Doch 
bezieht sich das, was die erste Kammer betrifft, nur auf die zwei evangelischen Geistlichen, 
die gewählten und ernannten Rittergutsbesitzer, die Bürgermeister und die vom Könige 
frei Ernannten. Die übrigen, die, nach dem ursprünglichen Wortlaute des § 120, „kraft 
erblichen Rechts oder als Abgeordnete der Kapitel und der Universität auf Landtagen er- 
scheinen“, erhalten nichts; es sind nach jetzigem Text die „in § 63 unter 1—7, 9, 11 und 12 
aufgeführten Mitglieder“. Hier wirkt wieder der Gedanke des eigenen Rechts und des 
4) In der ersten Kammer kommt die Möglichkeit eines freiwilligen Austrittes nur bei einem 
Teil der Mitglieder in Betracht (vgl. oben § 15 a. E.). Soweit dies der Fall ist, fordert das Wahlges. 
vom 3. Dez. 1868 & 8 während des Landtags die Genehmigung der Kammer. Für die zweite 
Kammer gilt jetzt 6 des Wahlges. von 1909. — Zu dieser Aufzählung der Pflichten der einzelnen 
Kammermitglieder sei bemerkt, daß auch den Kammern, den Ständen als Gesamtheit verfassungs- 
mäßige Pflichten obliegen; vgl. unten § 24 1I Nr. 2. Bestehen die Pflichten der Mitglieder ihrer 
Kammer gegenüber, so die der Stände gegenüber dem König. 
5) Anders Opitz, Staats-R. II S. 48: „Auch eine bereits angelegte Haft ist während 
des Landtags aufzuheben, wenigstens dann, wenn die Kammer, der das Mitglied angehört, darauf 
anträgt.“ Aber die Würtemb. Verf. § 184 und die Bayr. Verf. Tit. VII /. 26, die dem Texte 
der Sächs. Verf.-Urk. § 84 zum Vorbilde gedient haben, werden nicht in diesem ausdehnenden 
Sinne ausgelegt: Seydel, Bayr. Staats-R. I S. 353. Man könnte auch sagen, daß der Fall, 
wo der Mann schon sitzt, der Ergreifung auf frischer Tat gleichstehen müsse. Jedenfalls ist es ctwas 
anderes, der Kammer ein Mitglied, das sie schon besitzt, durch Verhaftung zu entziehen, und um- 
gekehrt der Justiz einen Häftling, den sie zulässiger Weise erworben hat, zugunsten der Kammer 
wieder abzunehmen.
	        
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