Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

160 Vierter Abschnitt: Zusammenwirken von Regierung und Volksvertretung. 8 20. 
  
lichen Gesetzesbegriff möglichst gewahrt und eben dadurch das Anwendungsgebiet der 
verfassungsmäßigen Gesetzesform entsprechend eingeschränkt. Auf diese Art bleiben die 
anderen Fälle ständischer Zustimmung bei ihrer natürlichen Gestalt, die keine Verlockung 
bietet, etwas hinter ihnen zu suchen, was der Sachlage und dem Zwecke nach gar nicht 
beabsichtigt gewesen sein kamnn. Unter dem Namen Bewilligungssachen stellen 
sie sich als eine zweite selbständige Art den Gesetzgebungssachen gegenüber. 12) Sie sind 
in ihrem juristischen Wesen von diesem deutlich geschieden. Es handelt sich hier nicht 
darum, daß durch die Mitarbeit der Volksvertretung eine eigene Art staatlicher Willens- 
äußerung von der Regierung zustande gebracht werde, die ihre besondere Kraft und Wir- 
kung hat, aber auch, eben um dieser Mitarbeit willen, der Volksvertretung dann mitgehört 
und ihrem Rechte zu Ehren mit einer besonderen Unverletzlichkeit und Unverbrüchlichkeit 
ausgestattet ist. Ein Gesetz ist kein Gesetz ohne die ständische Zustimmung. Die Bewilli- 
gung dagegen macht die Handlung der Regierung, zu der sie erteilt wird, nicht zu einem 
Rechtsakt ganz besonderer Art. Ihr rechtlicher Wert besteht in nichts anderem als in der 
Beseitigung eines verfassungsrechtlichen Verbotes, welches 
ohne sie der Handlung der Regierung entgegenstünde; sie darf die an die ständische Be- 
willigung gebundene Handlung nicht vornehmen. 
Die Einholung der Bewilligung macht also nur, daß die Handlung ordnungs= und 
rechtmäßig geschehen kann. Andernfalls knüpfen sich an die Vornahme der Handlung 
unter Nichtachtung jenes Verbotes gewisse Rechtsnachteile. 
Diese ergeben sich ganz von selbst daraus, daß darin eine Verletzung der Verfassung 
und des Rechtes der Stände gelegen ist. Die Verantwortlichkeit der Regie- 
rung kommt in Frage. 
Darüber hinaus kann die Verbotswidrigkeit zur Folge haben, daß die von der Regie- 
rung so vorgenommene Handlung auch getroffen wird in ihrer Wirkung nach außen, daß 
sie rechtsun9gültig ist. Das versteht sich aber nicht von selbst, sondern kann bloß ein- 
treten, wo eine besondere Bestimmung das vorgesehen hat.12) 
richtig, die Regeln über die Sanktionierung, Promulgierung, Publizierung, Auslegung und Ab- 
änderung des Gesetzes darauf zu übertragen; Aufgabe der Wissenschaft sei es, „auf die Beseitigung 
jener aus mißverstandenen Grundbegriffen hervorgegangenen Bezeichnung (als Gefetz) hinzu- 
wirken.“ Das ist richtig für andere Fälle von Bewilligung oder Zustimmung der Stände, wie sie 
Opitz noch anführt. Wenn aber, wie in Verf.-Urk. § 10 ein Gesetz ausdrücklich verlangt ist und 
andererseits die Verf.-Urk. genau vorschreibt, in welcher Weise ein solches Gesetz zustande gebracht 
werden soll, dann wird es nicht möglich sein, ohne Beobachtung dieser Formen den Willen des 
&10 zu erfüllen, und dann entsteht doch etwas, was man füglich als ein Gesetz bezeichnen kann, 
das Gesetz nur in diesem formellen Sinne ist. Aber, wie gesagt, für das sächsische Recht ist der- 
gleichen ein Ausnahmefall. 
12) Die Einteilung in Verf.-Urk. & 131 (vgl. oben Note 1) ist in dieser Hinsicht allerdings 
erschöpfend gemeint. Im Gegensatz zu bloßen „Beratungsgegenständen“ sind „Gesetzgebungs- 
und Bewilligungsgegenstände,“ wie Fricker, Grundriß S. 155 es ausdrückt: „alle Vorlagen 
zum Zwecke der Einholung ständischer Zustimmung.“ Was Gesetzgebungssachen sind, ist glatt 
abzugrenzen. Alle übrigen Fälle, wo ständische Zustimmung eingeholt wird, gehören also zu den 
Bewilligungssachen, von denen wir hier handeln. Da damit zugleich ein einheitlicher Begriff sich 
verbindet, behalten wir den einheitlichen Namen bei. Die Verf.-Urk. gebraucht ihn mit Vorliebe 
für solche Fälle, die mit dem alten Steuerbewilligungsrechte der Stände irgendwie zusammen- 
hängen. Sonst sagt sie auch hier „Zustimmung“. In §& 122 unterscheidet sie gleichwohl „Ab- 
gaben= und Bewilligungs-Gegenstände“. — Den hier hervorgehobenen Gegensatz bezeichnet 
Seydel, Bayr. Staats-R. 1 S. 352 ganz entsprechend als Mitwirkung (beim Gesetz) 
einerseits und Genehmigung (unsere Bewilligung) anderseits. 
13) So Verf.-Urk. & 105 Abs. 1 (nach Vorbild der Bad. Verf.-Urk. § 57), wonach ohne Zu- 
stimmung der Stände kein Anlehen „gültig“" gemacht werden kann. Der Darlehnsgeber erwirbt
	        
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