Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band IX. Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen. (9)

g 21. Das Gesetzgebungsverfahren. 165 
  
licht wurde, mitbegriffen. Man kann also zusammenfassend sagen: es handelt sich um das 
erschwerte Gesetzgebungsverfahren zur Abänderung, Erläuterung und Schaffung von 
Verfassungsgesetzen. 
Die erschwerenden Vorschriften betreffen nie den Anteil am Verfahren, der vom 
König selbst geübt wird, sondern beziehen sich teils auf den Regierungsverweser, der an 
seiner Stelle steht (vgl. oben § 14, III), teils auf die Beschlußfassung des Landtages. Die 
letztern werden bei der Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens an ihrem Orte hervor- 
zuheben sein (vgl. unten S. 168). 
1. Übereinstimmung des Königs und des Landtags ist notwendig, damit ein Ge- 
setz zustande kommen kann. Zu diesem Zwecke erfolgt entweder von der einen oder 
von der andern Seite die Mitteilung des Wortlautes des in Aussicht genommenen Ge- 
setzes, des Gesetzentwurfs, mit der Erklärung des Einverständnisses mit einem 
solchen Gesetz und der Einladung, gleichfalls zuzustimmen. Dies ist der Gesetzes- 
vorschlag.“) Einen Gesetzentwurf kann jeder machen. Selbstverständlich ist nicht 
jeder gleichmäßig dazu berufen noch auch in der Lage, an den entscheidenden Stellen 
Gehör und Berücksichtigung zu finden, damit aus seinem Entwurf ein Gesetzesvorschlag 
werde. 
Der König erhält für die von ihm zu machenden Gesetzesvorschläge die Entwürfe ordent- 
licherweise ausgearbeitet von seiner obersten Gehilfenschaft, dem Ministerium. Zum Ent- 
schlusse, einen Gesetzesvorschlag daraus zu machen, gelangt er unter Beirat dieses Ministe- 
riums und, wenn er es für gut hält, auch des Staatsrates (vgl. unten § 29 Nr. 4). Der 
Vorschlag erfolgt dann in Gestalt eines Königlichen Dekretes an die Stände. 
Es enthält außer dem Wortlaut des gewollten Gesetzes nach Vorschrift der Verf.-Urk. 
§*85 Abs. 3 noch Ausführungen über Zweck und Tragweite des Gesetzes, Motive, 
oder, wie man jetzt sagt, eine Begründung. Bei den Ständen erwächst der von 
ihnen ausgehende Gesetzesvorschlag aus den Beratungen die jede von beiden Kam- 
mern in festgeordnetem Verfahren vornimmt (ogl. unten Nr. 2). Der diesen Beratungen 
zugrunde liegende Entwurf wird von den Mitgliedern geliefert, die durch ihre Anträge 
das Verfahren in Bewegung setzen; woher diese den Inhalt beziehen, ist gleichgültig. Der 
Gesetzesvorschlag geschieht durch übereinstimmenden Beschluß beider Kammern. Er wird 
in Form einer gemeinsamen Ständischen Schrift bei dem Gesamtministerium 
eingereicht. Auch hier sind Motive beizugeben. 
Die Befugnis, dem anderen Teile einen Gesetzesvorschlag zu machen, bezeichnet man 
als das Recht der Initiative. Es stand nach dem ursprünglichen Texte der Verf.= 
Urk. § 85 Abs. 1 für gewöhnliche Gesetze nur dem Könige zu. Für verfassungändernde 
Gesetze gewährte es schon Verf.-Urk. § 15 Abs. 1 auch den Ständen. Durch Verfassungs- 
  
gelaufenen Versehens handelt. Die späteren Gesetze dieser Art sagen von ihren Bestimmungen, 
sie „treten an die Stelle“ der aufgehobenen Verfassungssätze (Ges. vom 15. Nov. 1848, Ges. vom 
31. März 1849, Ges. vom 13. April 1888 II), oder diese „werden durch sie ersetzt“ (Ges. vom 30. Juni 
1902) oder: sie seien „als integrierender Teil der Verfassung anzusehen“ (Ges. vom 5. Mai 1851, 
Ges. vom 27. Nov. 1860, Ges. vom 3. Dez. 1868, Ges. vom 4. Okt. 1874), und anderes Gleich- 
wertiges. 
4) Der Gesetzesvorschlag ist also zugleich Entwurf; er ist durch die damit verbundene Willens- 
erklärung und Aufforderung zur entsprechenden Willenserklärung noch etwas mehr. Aber er- 
klärlich ist, daß die Verf.-Urk. sich beider Ausdrücke häufig wie gleichwertiger bedienen konnte (Verf.= 
Urk. 3 85, K5# 90—93). .
	        
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